Untersuchung über den Reichtum der Nationen

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von Endre Bárdossy
  • Von Ars moriendi, dem häufigsten Titel von Trostbüchern, über die Ars nova, ein neuer Musikstil in Frankreich des XIV. Jahrhunderts... bis zu den...

  • ...Sieben Freien Künsten (Artes liberales) der mittelalterlichen Universität auf den Stufen des Triviums und Quadriviums: Auf dem Dreiweg der unteren Fächer Grammatik, Rhetorik, Dialektik und dem Vierweg der höheren Fächer Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik.

  • Das Künstlerische der schönen Künste: El artista bezieht sich in den romanischen Sprachen sowie im Englischen nicht nur auf den Zirkuskünstler.

  • Das Künstliche im Herstellen von Artefakten, im Artifiziellen, im Kunststoff, usw. bezieht sich auf das vollendete Können des technischen Menschen schlechthin. Heute hegen wir mehr Zweifel daran, ob diese Kunstfertigkeit so vollendet ist, wie es am Anfang der Industriellen Revolution geglaubt worden ist.

Was das Künstlich-Technische in eine Richtung übertrieben hat, scheint das Künstlerische in das andere Extrem zu treiben. In perfekter Übereinstimmung mit dem Historiker MIRGELER, setzt der Kunsthistoriker SEDLMAYR für den Großen Grabenbruch der Neuzeit das selbe Datum mit 1750 an. Nach dem abrupten Ende des Gesamtkunstwerks im großen Barock, der noch die Alte Welt mit den Indias Americanas in der Einheit der Katholizität verbinden konnte, lassen sich sieben Tendenzen3 in der Kunst feststellen:

  1. Die Aussonderung reiner Sphären (Purismus, Isolation): Reine Architektur, reine Zeichnung, reine Malerei. «Sie bestimmt nicht nur das Verhältnis der Künste zueinander, sondern auch das Verhältnis der Kunst zu anderen Gebieten: reine Kunst, reine Wissenschaft, reine Religion... Es kommt zur Zersplitterung der Wissenschaft in scharf gesonderte Fächer, die auf keinen gemeinsamen Mittelpunkt mehr bezogen sind. Zur Zerlegung des Arbeitsvorgangs in einzelne gesonderte Hantierungen, die nichts mehr vom Sinn des Ganzen wissen. Überall Spezialistentum. Erst jetzt bekommt der Nationalismus seine äußerste Schärfe. In dem unmenschlichen Vorgang der Umsiedlung sucht er künstlich scharf gesonderte Nationen herzustellen. In die gleiche Linie fällt die Idee der reinen Rasse. Analoges auch im Verhältnis des Menschen zur Natur. Zum Beispiel verwandelt man jetzt das gewachsene Naturgebilde des Mischwaldes in unnatürliche Monokulturen».

  2. Auseinandertreiben der Gegensätze: Tendenz ins Extreme einer unversöhnlichen Polarisierung zu gehen.

  3. Neigung zum Anorganischen: wachsendes Metallisch-Werden und «Versteinerung des Lebens» (Ernst Jünger).

  4. Loslösung vom Boden: Die Bodenlosigkeit der Idee ein Kugelhaus zu bauen bezeugt eine ungeheuere Labilität.

  5. Zug zum Unteren, Unbewussten, Urtümlichen, Uranfänglichen, Dunklen und Dumpfen...

  6. Herabsetzung des Menschen zur Bestie mit falschem Bewusstsein: Vorliebe um die Triebfeder jeglichen menschlichen Handelns im Versteck der sexuellen, ökonomischen, politischen Sphäre anzusetzen (Freud, Marx). Die hinterfotzige Vermutung von Hintergedanken, Lug und Trug, um den Anderen und Fremden zu entlarven, als Methode der Ideologiekritik, ist auch eine Herabsetzung sui generis: «Hinterfragen. – Bei allem, was ein Mensch sichtbar werden lässt, kann man fragen: was soll es verbergen? Wovon soll es den Blick ablenken? Welches Vorurteil soll es erregen? Und dann noch: bis wieweit geht die Feinheit dieser Verstellung? Und worin vergreift er sich dabei?»4

  7. Die Aufhebung des Unterschieds von Oben und Unten im Surrealen und im Kult des Unvernünftigen...

Auf dem Wind dieser schwerwiegenden Indizien, sollte sich die Vorgangsweise unserer Untersuchung nach POPPERS «Kritischem Rationalismus» einer gewagten Hypothese bedienen, die nicht durch empirische Induktion, auf Grund von zahlreichen Beobachtungen, ökonometrisch gesichertem, statistischem Material und neokeynesianischem Schmuck (Graphiken, Tabellen, Funktionen) entdeckt worden ist. Durch begriffliche Deduktion aus reinen Sprach- und Denkformen, Haltungen, Traditionen behaupten wir eine Hypothese, die drei Punkte umfasst, und geben sie im selben Akt einer riskanten Diskussion preis:

  1. Ein liberales Programm gibt es nicht, vielmehr gibt es eine liberale Lebensform: Die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in jener Zeit und an jenem Ort im XVIII. Jahrhundert des Lichts und der Aufklärung in Großbritannien ist nicht durch eine Freigabe des Handels groß geworden, sie war nicht durch die Einführung einer Zollsenkung, durch Ratifizierung eines Vertrages, einiger Regierungserlässe und ähnliches mehr auf Konjunktur gestimmt worden. Sondern? Die Mitglieder dieser Gesellschaft waren noch einfach klug genug, so rechtschaffen, wettbewerbsfähig und soweit ausgeglichen, ähnlich wie die eher schlichte Erscheinung des Prof. Smith selbst, dass sie in jener freiheitlichen Ordnung lebten konnten, die sie sich selber geschaffen haben. Adam SMITH hat nichts erfunden, er hat vielmehr den Glanz der recta ratio aus dem Schoße des gesellschaftlichen Kontextes in seinem berühmten Buch widergespiegelt.

  2. Liberalismus ist eine Funktion der Liberalität des Einzelnen, die durch die «Zweite Geburt» unserer Sozialisation Gestalt annimmt und innerhalb der Grenzen der funktionsfähigen Institutionen staatsbildend wird. Weder Verordnungen noch dem Freihandel – die es unter bestimmten Bedingungen geben kann und muss – sondern dem Konsens der Liberalität zuvor, im Zusammenspiel von Tugenden, Kapazitäten und Werten verdanken wir die sozioökonomische Prosperität.

  3. Liberalismus ist kein Systemdenken, sondern die Strukturverfassung der Freiheit: «El liberalismo – conviene hoy recordar esto – es la suprema generosidad: es el derecho que la mayoría otorga a las minorías y es, por tanto, el más noble grito que ha sonado en el planeta. Proclama la decisión de convivir con el enemigo; más aún, con el enemigo débil. Era inverosímil que la especie humana hubiese llegado a una cosa tan bonita, tan paradójica, tan elegante, tan acrobática, tan antinatural. Por eso no se debe sorprender que prontamente parezca esa misma especie resuelta a abandonarla. Es un ejercicio demasiado difícil y complicado para que se consolide en la tierra. Der Liberalismus – es ist angebracht sich dessen heute zu erinnern – ist die höchste Stufe der freigiebigen Großmut: Er ist das Recht, das von der Mehrheit den Minderheiten verliehen wird, und darum der nobelste Ruf, der auf diesem Planeten erklungen ist und verkündet den Entschluss mit dem eigenen Gegner zusammenzuleben, mehr noch, mit dem geschwächten Gegner. Es war schon immer unwahrscheinlich zu einem so hübschen Ding zu kommen, so Widersprüchlichem, so Elegantem, so Akrobatischem, so sehr sich gegen die Natur Sträubendem. Daher wundert es nicht, dass wir bereit sind so eine seltene Sache so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Die Einübung wird doch zu anstrengend und zu kompliziert, als dass sie sich auf dieser Erde heimisch machen könnte»5.


Gasset, José. 1930. Der Aufstand der Massen. Dtsch. Rowohlt 1958, 55. Zitiert in: Hayek (1) 221


3 1948. Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit. Ullstein Buch 39. 1977. 159-164. Tausend der Taschbuchausgabe. Frankfurt/M, Berlin, Wien. 114 ff.
4 Nietzsche, Friedrich. Morgenröte 5, 523. Hg. Schlechta 1, 1254
5 Ortega y Gasset, José. 1930. Der Aufstand der Massen. Dtsch. Rowohlt 1958, 55. Zitiert in: Hayek (1) 221

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