Schattenwirtschaft: Fluch oder Segen für die legale Volkswirtschaft?

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Heute herrscht allerdings in der Öffentlichkeit immer noch die falsche Auffassung, dass das BIP ausschließlich das Ergebnis aller Tätigkeiten der monetären Volkswirtschaft wäre. Diese Auffassung ist aber sicher nicht aufrecht zu erhalten, weil die Summe der Werte, die durch private Tätigkeiten geschaffen werden, nicht mehr vernachlässigt werden kann.

Die unverkennbare Verschiebung von der monetären Volkswirtschaft zur Selbstwirtschaft erfolgt umso schneller, je geringer der Nutzen für den Einzelnen wird, der sich noch der Volkswirtschaft bedient. Sobald die Volkswirtschaft im Vergleich zur Selbstwirtschaft dem Einzelnen keine Vorteil mehr bieten kann, wird er die Volkswirtschaft überhaupt nicht mehr in Anspruch nehmen. Dabei sind natürlich für die Entscheidung zwischen Volkswirtschaft und Selbstwirtschaft in erster Linie die Fähigkeiten des Einzelnen maßgebend. Experten mit entsprechendem Erfolg im Beruf, werden die Volkswirtschaft vorziehen. Handwerker mit entsprechender Geschicklichkeit und Anpassungsfähigkeit dagegen, werden die Selbstwirtschaft vorziehen. Die entscheidende Frage ist somit nur: erledigt der Fachmann oder die Industrie mit all ihren Maschinen und Vorrichtungen eine Aufgabe besser, schneller oder billiger als der Konsument selbst?

Bei der Prüfung dieser Frage müssen natürlich alle Mehrkosten berücksichtigt werden, die der Fachmann zu tragen hat und die sich der Konsument in der Selbstwirtschaft erspart. Wie die Kosten der Steuern, Lohn- und Lohnnebenkosten, Zuschläge für Hilfsarbeiter, die in der Selbstwirtschaft meist wegfallen, die Kosten für Anfahrt und Abfahrt bei Arbeiten außer Haus, kurz eben alle Unkosten des Unternehmens. Wegen all dieser Nebenkosten wird die Selbstversorgung oft auch dann vorgezogen werden, wenn die Arbeitszeit zur Verrichtung einer bestimmten Leistung in der Selbstwirtschaft wesentlich länger ist, als in der Volkswirtschaft. Die Selbstwirtschaft ist auch überall dort überlegen, wo es sich um die individuelle Verwendung serienmäßig erzeugter Produkte handelt. Dadurch ergeben sich aber auch in der Industrie Innovationsmöglichkeiten für neue Produkte, deren Serienproduktion erst durch den Absatz in der Selbstwirtschaft möglich wird. Nicht nur Waschmaschinen, Küchenmaschinen und Do-it-yourself-Werkzeuge, sondern auch Videorecorder, Bildschirmadapter sowie Normbauteile für Selbstbaumöbel sind nur einige wenige Beispiele für Produkte, deren serienmäßige Produktion in der Industrie erst durch die Expansion der Selbstwirtschaft möglich wurde.

Bei vielen Gütern kommt es dabei in der Produktion zu einer Aufteilung der Arbeitszeit zwischen Volkswirtschaft und Selbstwirtschaft. In der ersten Phase erfolgt die Produktion von Normteilen in der Industrie und in der zweiten Phase erfolgt die "Montage in der Selbstwirtschaft".

Ebenso wie die Selbstwirtschaft und die gesamte Schattenwirtschaft nimmt auch dieser zweite Anteil der Produktion mit zunehmender Freizeit durch abnehmende Arbeitszeit in der legalen Wirtschaft zu.

Die Verschiebung von der Arbeitszeit in der Volkswirtschaft zur Arbeitszeit in der Selbstwirtschaft ist aber auch durch das zunehmende Bedürfnis der Bevölkerung nach Selbstverwirklichung zu erklären, die im Rahmen der Selbstwirtschaft besser befriedigt wird als in der offiziellen Volkswirtschaft.

Verstand man früher unter "Beruf" die Berufung für eine bestimmte Aufgabe in der Gesellschaft, mit der sich die Vorstellung verband, dass der Berufene in der Erfüllung seiner Aufgabe seinen Lebensinhalt findet, so tritt heute als Lebensinhalt an die Stelle des Berufes die Selbstverwirklichung und Sinnerfüllung. Die Stellung im Beruf verliert damit auch an Bedeutung und Prestige in der Gesellschaft.

Aber auch wenn vieles darauf hindeutet, dass die Bedeutung der Selbstwirtschaft in der Zukunft noch sehr zunehmen wird, so ist es auch sicher nicht gerechtfertigt anzunehmen, dass die Selbstwirtschaft allein als Alternative zur derzeitigen industriellen Wirtschaft überhaupt in Frage käme.

Viele schwärmerische Vertreter einer solchen alternativen Ökonomie zur technokratischen hochindustrialisierten Ökonomie übersehen, dass alle bisherigen Formen der Selbstversorgung und Eigenarbeit sowie der Kleinproduktionen auf der Lieferung von Rohstoffen, Werkzeugen, Maschinen und Energie aus der industriellen Produktion basieren.

Deshalb erscheint es heute und in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten unsinnig über ein "entweder-oder" zwischen industrieller Produktion und Selbstwirtschaft zu sprechen.

Aber ebenso wäre auch eine Wirtschaftspolitik ohne Berücksichtigung der Beiträge der Selbstwirtschaft zur Gesamtwirtschaft irreal.

Vor allem deshalb, weil die Selbstwirtschaft neben ihren ökonomischen Aufgaben, als Produzent von Gütern und als Anbieter von Dienstleistungen, die die offizielle Wirtschaft nicht oder nicht preiswert anzubieten in der Lage ist, auch soziale und kulturelle Aufgaben erfüllt, die für die Gesellschaft heute von zunehmender Bedeutung sind. Ihre Beiträge zur Humanisierung der Arbeitswelt werden von der Gesellschaft geschätzt und sind somit ein Beitrag zur Arbeitskultur.

Außerdem bedeutet jede Selbstversorgung und Nachbarschaftshilfe eine Verringerung der Abhängigkeit von öffentlichen Leistungen. Das Do-it-yourself hat eine enorme ganz neue Industrie ins Leben gerufen. Sie besteht aus den Erzeugern von Do-it-yourself-Werkzeugen wie Bosch, Black & Decker, Wolff, usw. und aus der Industrie, die das Rohmaterial für Bau oder Möbel bereitstellt.

Ein weiteres bedeutendes Element der Selbstversorgung ist die Hausfrauenarbeit. Ihr Wert in Währungseinheiten wird meist mit einem vielfachen der Beträge angegeben, die der oder die Erwerbstätige überhaupt verdient. Denn ein Essen im Restaurant kostet etwa 5-10 mal soviel wie die Lebensmittel, die zu Zubereitung der Speisen zu Hause erforderlich sind. Berücksichtigt man noch die Kosten einer Bedienerin, deren Tätigkeit die Hausfrau verrichtet, dann ergibt die Hausfrauenarbeit leicht einen Anteil von 50% Schattenwirtschaft an der Gesamtwirtschaft.

Die Nachbarschaftshilfe, die früher nur am Land üblich war, wird heute in den Städten auch schon so organisiert, dass überhaupt kein Bargeld den Besitzer wechselt. Der Buchhalter macht die Buchhaltung des Automechanikers, der wiederum das Auto des Buchhalters repariert. Der Gärtner pflegt den Garten des Herrn

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