Buchbesprechungen III

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von Rainer Ernst Schütz

und Politik in der NS-Zeit. Bereits 1994 erschien sein Buch Künstler im Exil als erster Teil einer thematischen Trilogie. Die anderen beiden Teile blieben unveröffentlicht, da Stompor zuvor seiner schweren Krankheit unterlag. Mit dem jetzt vorliegenden Buch ist der zweite Teil der Trilogie zugänglich. Ein umfangreiches Werk über das öffentliche Musiktheater im NS-Staat (sowie die Truppenbetreuung) und in der unmittelbaren Nachkriegszeit soll demnächst erscheinen. Es ist dies ein fast 1000-seitiges Manuskript, das zahlreiche ähnliche Bemühungen nicht nur in den Schatten, sondern vermutlich aufheben wird. Es sollte bald erscheinen, beschäftigen sich doch andernorts diverse Forschungseinrichtungen mit fast dem gleichen Thema, und Stompors Manuskript scheint mit Abstand das am gründlichsten recherchierte Material zu besitzen.

Zum Inhalt

Das Buch über die Kulturbund-Arbeit ist in zwei Hauptkapitel gegliedert. Es beinhaltet ein Kapitel zu Opernaufführungen innerhalb des Jüdischen Kulturbundes (Teil I), ein Kapitel zu den Improvisierten Opernaufführungen sowie Konzerten in Ghettos und Konzentrationslagern (Teil II) und einen großen Anhang, der sich beispielsweise den Mitgliedern in den Orchestern und Kammermusik-Ensembles im Ghetto Theresienstadt, denen der Lagerkapelle Buchenwald, des KZ Dachau, des Lagerorchesters Mauthausen, des Orchesters in Auschwitz I, denen des Orchesters Birkenau und des Frauen-Orchesters in Auschwitz-Birkenau widmet. Anmerkungen, ein Register und der Bildnachweis beschließen den überaus materialreichen Band.

Herausgaber Izsàk stellt bereits im Vorwort fest, dass „immer etwas Schleierhaftes über dem Gespräch herrscht, wenn jemand das Wort Kulturbund erwähnt. Man erstarrt und weiß eigentlich gar nicht, wie man sich fühlen soll“. Denn der Jüdische Kulturbund stellte, so wird bei Izsák ausgeführt, für viele Menschen das Symbol dar für die Beraubung der künstlerischen Freiheit, für die Zerstörung der menschlichen Existenz als gleichwertiger Kollege und Rivale in der Künstlergemeinschaft. Aber er hatte zunächst eine durchaus gemeinschaftsbildende, stabilisierende Wirkung.

Zeitzeuge Alfred Dreifuß hat ein Vorwort beigetragen. Er war bis Ende 1932 Dramaturg der Jungen Volksbühne in Berlin, an der er, Volljude, anstelle des Geisteswissenschaftlers nun als Beleuchter im Jüdischen Theater bis zu seiner Verhaftung 1935 arbeitete. Als er 1939 aus Buchenwald entlassen wurde, ging er ans Jüdische Kulturbundtheater in der Berliner Kommandantenstraße. Dann begannen seine Exiljahre. Dreifuß meint, dass die Erinnerung an die Kulturarbeit unter so schwierigen und ungewöhnlichen Bedingungen bewahrt werden muss. – Und Stompors Dokumentation ist ein Beitrag dazu. Er hat sich für die Vorarbeiten jahrelang in Archive vergraben, hat recherchiert, geprüft, verworfen, gegliedert, gedacht, konzipiert und geschrieben.

Musikalische Aufführungen 1933 bis 1939

Herausgekommen ist ein material- und dokumentenreiches Werk, dass die szenisch-musikalischen Aufführungen in Ghettos und Konzentrationslagern gründlich erforscht; basierend auf der Studie von Herbert Freeden, der 1964 die Geschichte des Jüdischen Kulturbundes und dessen Schauspielarbeit aus eigener Anschauung festhielt. Ohne Frage waren und sind Musizieren und Musikhören wie auch das Theaterspiel und der Tanz wesentliche Bestandteile des Lebens jüdischer Menschen; grad unter ihnen entwickelten sich besonders viele hervorragende Instrumentalisten, Sänger, Dirigenten, Komponisten, Schauspieler und Regisseure. In Deutschland haben Künstler jüdischer wesentlich zum Reichtum der Kultur beigetragen. 1933 begann deren gewaltsame Unterdrückung, Vertreibung und schließlich Ausrottung. Nach Beginn des Nazi-Regimes gelang es zunächst, trotz vieler Beschränkungen und Diskriminierungen, eine rege musikalische Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Zu deren Zentrum wurde der Jüdische Kulturbund, der den aus Theatern, Orchestern, Konservatorien und Rundfunksendern entlassenen Künstlern Arbeits- und Wirkungsmöglichkeiten bot, diese gegenüber den Nazi-Dienststellen durchsetzte, und der wiederum künstlerische Erlebnismöglichkeiten bot und so der Demoralisierung begegnete. Im Zusammenwirken mit dem Jüdischen Kulturbund und von diesem unterstützt, setzten jüdische Chöre, bestehende und neue Orchester und Kammermusikgruppen sowie die zunächst noch in Deutschland verbleibenden Solisten, Dirigenten und Komponisten ihre – immer mehr durch Behörden eingeschränkt – Tätigkeit fort. Jüdische Organisationen, religiöse Gemeinschaften und Künstler entwickelten innerhalb der verordneten Beschränkungen ein reges und vielgestaltiges kulturelles Leben. Der Kulturbund Deutscher Juden entstand im Juli 1933, im April 1935 veranlassten die zuständigen Nazi-Dienststellen eine Umbenennung in Jüdischer Kulturbund in Deutschland. Die ghettoartige kulturelle Arbeit, so Stompor, wurde von den Nazis zunächst geduldet und sogar teilweise für Propaganda gegenüber dem Ausland geduldet.

Nach dem Terror vom November 1938 wurde diese Arbeit immer mehr erschwert; ab Sommer 1939 konnten nur noch Konzerte und einige Schauspielaufführungen erfolgen. Im Kulturbund Berlin hatte es bis dahin neben etwa 50 Schauspiel-Inszenierungen 19 Opern- und fünf Operetten-Inszenierungen gegeben, außerdem Kabarett- und Tanzveranstaltungen! Stompor hält fest, dass bis zuletzt in den Konzerten immer wieder neu entstandene Werke vorgestellt wurden und dass insbesondere die in Deutschland verbliebenen jüdischen Komponisten voller geradezu trotziger Aktivität waren. In der letzten Phase der jüdischen Kulturarbeit gab es zwischen den Künstlern und ihrem Publikum eine Gemeinschaft in zunehmender Todesgefahr.

Alle akademischen Schichten waren am Kulturbund-Leben beteiligt, auch die Pädagogen. Ein Exkurs: Der Kulturbund deutscher Juden Rhein-Main wurde 1934 in Frankfurt gegründet. Ein Aufruf hielt die Ziele fest: „Unser Programm umfasst Musik, Theater, Vortrag, bildende Kunst, Arbeitsbeschaffung für alle künstlerischen Berufe, Fortbildung und Ausbildung jüdischer Musiker. Hier erwächst den Jugendverbänden ein zeitgemäßes Aufgabengebiet. Wir wenden uns an alle[...]“. Unter Leitung von Hans-Wilhelm Steinberg wurde ein Orchester aufgebaut. Als Konzertmeister wirkte hier unter anderem Hans Bassermann, ein langjähriger Professor am Konservatorium in Leipzig.

Musik in Ghettos und Konzentrationslagern

Insofern war die Arbeit dieses Kulturbundes bis 1939 wie das Leben in einer (befristeten) Enklave. Musikalische und szenische Aufführungen gab es danach auch noch in den Ghettos Theresienstadt, Wilna, Warschau, Lodz und Amsterdam sowie in den Konzentrationslagern Buchenwald, Sachsenhausen, Ravensbrück, Dachau, Auschwitz und Westerbork in den Jahren 1941 bis 1944, teils illegal, teils geduldet und teils sogar von der SS angeordnet.

Von dieser Kulturarbeit gibt es noch weniger Zeugnisse als zu den Aufführungen im Jüdischen Kulturbund. Stompor hatte sich mit seiner möglichst lückenlosen Chronologie keine leichte Aufgabe gesetzt. Er wertete zahlreiche Tageszeitungen, Beschreibungen in Archiven, Nachlässe, Sammlungen aus, sprach mit überlebenden Beteiligten und schuf so eine in Text und Bild erstmalige Dokumentation.

Beate Hennenberg

Rastlos und erfolgreich, Werner Richard Heymann – Neue Biografie über ein deutsch-jüdisches Schicksal, Henschel Verlag, Berlin 2001

Erinnerung an und Würdigung des wohl erfolgreichsten Filmkomponisten der großen UFA-Zeit

Ein Heymann-Revival

Während die unsterblichen Melodien von Werner Richard Heymann, einem deutsch-jüdischen Komponisten und Texter, als Evergreens den nachfolgenden Generationen im Ohr blieben, geriet die Person des Künstlers nach seinem Tode zunehmend in Vergessenheit.

Seit einiger Zeit wird dem entgegengearbeitet: Seit 1995 findet eine posthum erarbeitete Bühnenfassung von Die Drei von der Tankstelle zunehmend Verbreitung. Heymanns künstlerischer Nachlass wurde 1998 der Akademie der Künste in Berlin übergeben und ist dort im Archiv der interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Im März/ April 2000 präsentierte die Akademie das Heymann-Archiv in einer Ausstellung, die anschließend auch in München und Salzburg gezeigt wurde. In diesem Zusammenhang entstanden zwei Heymann-Revuen und mehrere neue Heymann-CDs.

Und der Berliner Henschel Verlag, der bekanntermaßen sein stark theaterpolitisches, kulturgeschichtliches wie auch kulturgesellschaftliches Profil pflegt, gab soeben – im Sommer 2001 – eine Künstler-Biografie heraus, das sicher überregional für Furore sorgen wird: Liebling, mein Herz lässt dich grüßen. Der erfolgreichste Filmkomponist der großen UfA-Zeit erinnert sich, hg. von Hubert Ortkämper, Henschel Verlag (Berlin 2001). Hervorzuheben ist, dass dem Buch eine CD beigegeben ist, auf der Erfolgslieder Heymanns wie Ein Freund, ein guter Freund, Das gibt’s nur einmal oder Das muss ein Stück vom Himmel sein in zeitgenössischer Stilistik zu hören sind, kombiniert mit Passagen, in denen er – authentisch, im schnodderig-berlinerischen Ton - über sein Leben spricht. Das Buch ist ausgezeichnet aufbereitet, neben der gründlichen Recherche zu Leben und Werk sind der Anhang mit dem Werkverzeichnis, den Anmerkungen sowie die zahlreichen Abbildungen wertvoll und aufschlussreich.

Der Herausgeber

Der Berliner Hubert Ortkämper, promovierter Theaterwissenschaftler, Fernsehproduzent, Regisseur und Autor, hat sich der Person Heymann mit viel Sensibilität, Fachkenntnis und großem Überblickswissen genähert. Er hat Heymanns nicht unbekannte Memoiren durch sorgfältig recherchierte Kommentare mehrfach ergänzt und mit Hilfe von Briefen und weiteren Dokumenten diese vorliegende Biografie weitergeführt.

In den letzten Lebensjahren hatte ja Heymann begonnen, seine Lebenserinnerungen auf Tonband aufzusprechen. – Für die Nachwelt heute berührende, interessante und wichtige Momentaufnahmen seines bewegten Lebens, seiner Flucht, seiner Arbeit in den USA, seiner Rückkehr nach Deutschland. Auch von seinen Begegnungen mit

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