Buchbesprechungen II

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von Dr. Beate Hiltner-Hennenberg

Herbert Zeman, Johann Nepomuk Nestroy, Holzhausen Verlag, Wien 2001. 354 S., geb., Abb., € 29.-. ISBN 3-854-93035-6.

Zum 200. Geburtstag von Johann Nepomuk Nestroy hat sich die deutschsprachige, allen voran die austriakalische Germanisten- und Theaterwissenschaftlerzunft mächtig ins Zeug gelegt. Zu recht, denn im Umfeld der Nestroy-Forschung gab es zahlreiche weiße Flecken. Nun hat, neben Wendelin Schmidt-Denglers Nestroy. Die Launen des Glücks (Verlag Zsolnay, Wien 2001) und Renate Wagners Nestroy zum Nachschlagen. Sein Leben - Sein Werk - Seine Zeit (Styria Verlag, Graz 2001), auch der Ordinarius für neuere deutsche Literatur mit besonderer Berücksichtigung der österreichischen Literatur an der Universität Wien, Herbert Zeman, vor allem das künstlerische Werden und Wirken Nestroys unter die Lupe genommen.

Dabei hat er nicht nur jedes einzelne der über 80 Bühnenstücke - die teils das Potential haben, noch unter heutigen Bedingungen zu bestehen – besprochen und dabei ihrer Satire und Komik sowie ihrem Witz gewürdigt. Neben der Inhaltsangabe der Nestroyschen Theaterstücke hat Zeman eine fundiert recherchierte Biografie vorgelegt, wobei vor allem die Nachzeichnung der Nestroyschen Jugendjahre – angereichert durch unveröffentlichte Dokumente - für Interesse sorgen dürften.

Völlig neu das Hervorstreichen Nestroys als Konzert- und Opernsänger. Endlich steht es schwarz auf weiß: Dass Nestroy bereits mit siebzehn Jahren und danach in den Jahren 1819 bis 1822 regelmäßig in Konzerten als Chorist und Solist auf der Bühne stand. Am 17. Februar 1819 etwa entschuldigt er sich in einem Brief beim Comittée des großen Musickvereins: Er müsse den "Singpart" zurückschicken, da er gerade von einer Krankheit genesen sei, aber das Haus noch nicht verlassen dürfe. Er werde aber fürs nächste "Gesellschafts=Concerte" wieder zur Verfügung stehen und in "drey oder vier Wochen" bei den "Musicken im rothen Apfel wieder zu Diensten" sein. der rote Apfel war das Quartier des leitenden Ausschusses der Musikfreunde und der Singschule.

Kenntnisreich weist Zeman auf den Stellenwert der Musikeinlagen und Couplets in Nestroys Stücken hin, deren Koloraturen und Tonumfang von den Darstellern der Zentralfiguren nicht lediglich geschulte, sondern voll ausgebildeten Stimme forderten. Er verweist auch auf Analogien und Verwandtschaften in Figurenkonstellationen im zeitgenössischen Musiktheaterrepertoire, das Nestroy als längjähriger Opernsänger im Blut haben musste. Minutiös wurden dafür Aufführungsberichte studiert, Briefe und andere einschlägige Quellen ans Licht der Öffentlichkeit gehoben, etwa aus dem Archiv des Musikvereines, die beweisen, in welchem Rahmen der Autor von Volksstücken, Possen, Travestien und Parodien sowie deren Gesangseinlagen auf Erfahrungen als Bassbariton-Solist der Wiener Hofoper zurückgreifen konnte.

Dialektischer Witz, scharfe Ironie, abgründige, subtile Satire standen bei Nestroy neben absurder, urwüchsiger Komik. Alle seine Werke sind geprägt von desillusionierender, absoluter Skepsis gegenüber menschlichem Verhalten und gesellschaftlichen Entwicklungen jeglicher Art. Unerbittlich zeigt er in seinen Werken menschliche Abgründe und Schwächen, prangert sie an, doch ist stets Sympathie für die kleinen Leute spürbar, letztlich auch eine tiefversteckte moralische Utopie. So, wie er sie selbst gerne erlebt hätte?

Beate Hennenberg

Henning Ottmann, Geschichte des politischen Denkens, Band 1: Die Griechen – von Homer bis Sokrates; Band 2: Die Griechen – von Planton bis zum Hellenismus. Beide: Verlag Metzler, Stuttgart 2001.

Auch wenn bei diesem Projekt erst das Bergfest zu feiern ist – zwei Bände sollen und werden noch folgen –, so lässt sich mit Sicherheit sagen, dass die Aufbereitung der Geschichte der politischen Ideen ein umfassend und dennoch konzis gebündeltes Unterfangen geworden ist. Der Autor, Professor für Philosophie und Politische Theorie an den Universitäten Augsburg und Basel, bereitet die informationsreiche Chronologie so auf, dass sie nicht nur Studierenden und Fachgelehrten zum Gewinn wird. Sondern: Nachdenken über Politik schadet ja nie, daher sind die Bücher, die auch den Totalitarismus untersuchen, grad‘ in der heutigen Zeit jedem politisch Interessierten zu empfehlen.

Beate Hennenberg

Heinrich Breloer; Horst Königstein, Die Manns. Ein Jahrhundertroman, Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2001.

Schon Marcel Reich-Ranicki stellte fest, dass es „in Deutschland in diesem Jahrhundert keine bedeutendere, originellere und interessantere Familie gegeben hat als die Manns. Das Erste (in Deutschland) und Arte drehten die Familienchronik neu – authentisch, opulent und spannend. Heinz Breloer erzählt gemeinsam mit Horst Königstein die Schicksale der Manns, der berühmtesten Künstlerfamilie des 20. Jahrhunderts. Zahlreiche farbige Bilder aus dem gleichnamigen Film sowie historische Fotos bereichern die Lektüre.

Heinrich Breloer, Unterwegs zur Familie Mann. Begegnungen, Gespräche, Interviews, Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2001.

Breloers Arbeiten sind wahnsinnig spannend, dort geht er der Geschichte des jungen Brecht nach, hier spürt er dem Leben des „Zauberers“ Thomas Mann nach. Er stellt so herrliche Fragen wie: Wie versuchen Klaus und Erika, ihren Gegenentwurf zu dem des Vaters durchzusetzen – Leben und Werk nicht als einander ausschließende Größen zu betrachten, sondern miteinander zu vereinbaren? Über 60 Zeitzeugen wurden es auf der langen Geschichte der Familie Mann. Breloer hat es – in dem Buch ist es festgehalten – einmalig gut verstanden, den auf der ganzen Welt verstreuten – und durch die Person Thomas Mann verbundenen – Menschen ein Forum zu geben, ihre Geschichte zu erzählen und Neues, Interessantes, Facettenreiches ans Licht der Öffentlichkeit zu heben.

Beate Hennenberg

Rupert Lay, Charakter ist kein Handicap. Persönlichkeit als Chance, Urania Verlag, Berlin 2002.

Lay definiert in seinem überschaubaren, gut gegliederten Buch zunächst das Phänomen Charakter; er stellt ihn als ein kommunikatives Ereignis dar, denn er wird den Menschen meist von der Außenwelt zugesprochen. Dann berichtet er anschaulich in Fallbeispielen von Politikern und Managern, eine Berufsgruppe, bei der sich oft Charakterlosigkeit breit macht, die umso schlimmer wirkt, wenn sie mit sozialer und formaler Intelligenz verbunden ist. Diese sogenannten Führungskräfte wissen sich nur einem verpflichtet, dem Erfolg, und sind bereit, um seinetwillen Hunderte von Menschen ins Abseits der Armut oder der Arbeitslosigkeit zu scheuchen. Den Besitz von Charakter halten sie für ein Zeichen karriereschädigender Schwäche. Lay predigt nun das Leben aus erster Hand, stellt primäre und sekundäre Tugenden vor und weist auf Merkmale hin, die einen echten Lebenserfolg bedeuten können. Positiv hervorzuheben sind die Notizzeilen im Fließtext für eigene Anmerkungen, die – manchmal recht dick aufgetragenen – Fallbeispiele und die Tabellen.

Beate Hennenberg

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