Rastlos und erfolgreich: Werner Richard Heymann

Drucken
von Dr. Beate Hiltner-Hennenberg

Neue Biografie über ein deutsch-jüdisches Schicksal
Erinnerung an und Würdigung des wohl erfolgreichsten Filmkomponisten der großen UFA-Zeit

Ein Heymann-Revival

Während die unsterblichen Melodien von Werner Richard Heymann, einem deutsch-jüdischen Komponisten und Texter, als Evergreens den nachfolgenden Generationen im Ohr blieben, geriet die Person des Künstlers nach seinem Tode zunehmend in Vergessenheit.

Seit einiger Zeit wird dem entgegengearbeitet: Seit 1995 findet eine posthum erarbeitete Bühnenfassung von Die Drei von der Tankstelle zunehmend Verbreitung. Heymanns künstlerischer Nachlass wurde 1998 der Akademie der Künste in Berlin übergeben und ist dort im Archiv der interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Im März/ April 2000 präsentierte die Akademie das Heymann-Archiv in einer Ausstellung, die anschließend auch in München und Salzburg gezeigt wurde. In diesem Zusammenhang entstanden zwei Heymann-Revuen und mehrere neue Heymann-CDs.

Und der Berliner Henschel Verlag, der bekanntermaßen sein stark theaterpolitisches, kulturgeschichtliches wie auch kulturgesellschaftliches Profil pflegt, gab soeben – im Sommer 2001 – eine Künstler-Biografie heraus, das sicher überregional für Furore sorgen wird: Liebling, mein Herz lässt dich grüßen. Der erfolgreichste Filmkomponist der großen UfA-Zeit erinnert sich, hg. von Hubert Ortkämper, Henschel Verlag (Berlin 2001). Hervorzuheben ist, dass dem Buch eine CD beigegeben ist, auf der Erfolgslieder Heymanns wie Ein Freund, ein guter Freund, Das gibt’s nur einmal oder Das muss ein Stück vom Himmel sein in zeitgenössischer Stilistik zu hören sind, kombiniert mit Passagen, in denen er – authentisch, im schnodderig-berlinerischen Ton - über sein Leben spricht. Das Buch ist ausgezeichnet aufbereitet, neben der gründlichen Recherche zu Leben und Werk sind der Anhang mit dem Werkverzeichnis, den Anmerkungen sowie die zahlreichen Abbildungen wertvoll und aufschlussreich.

Der Herausgeber

Der Berliner Hubert Ortkämper, promovierter Theaterwissenschaftler, Fernsehproduzent, Regisseur und Autor, hat sich der Person Heymann mit viel Sensibilität, Fachkenntnis und großem Überblickswissen genähert. Er hat Heymanns nicht unbekannte Memoiren durch sorgfältig recherchierte Kommentare mehrfach ergänzt und mit Hilfe von Briefen und weiteren Dokumenten diese vorliegende Biografie weitergeführt.

In den letzten Lebensjahren hatte ja Heymann begonnen, seine Lebenserinnerungen auf Tonband aufzusprechen. – Für die Nachwelt heute berührende, interessante und wichtige Momentaufnahmen seines bewegten Lebens, seiner Flucht, seiner Arbeit in den USA, seiner Rückkehr nach Deutschland. Auch von seinen Begegnungen mit Berühmtheiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die nicht selten gewürzt sind mit Humor und stilsicheren Pointen, handeln die Memoiren. – Die nunmehr, da sie an der Berliner Akademie der Künstle lagern, in Buchform jedermann leichter zugänglich sind.

Jubiläum

Tatsächlich kann der 1896 in Königsberg geborene Komponist, der 1961 starb, zwei kleinere Jubiläen feiern: 2001 ist das Jahr seines 105. Geburtstages und des 40. Todestages.

Durch die oben erwähnten vielfältigen Aktivitäten hat eine – berechtigte – Renaissance von Heymanns Musik begonnen. Es wollen sich die Menschen vermutlich doch nicht pausenlos mit Text-Müll und Musik-Irrsinn abgeben. Solch unumstößliche – und gar nicht banale - Wahrheiten wie „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das schönste, was es gibt auf der Welt“ treffen halt noch immer zu: Mögen die GattInnen, Geliebten und andere PartnerInnen auch wechseln. Ein guter Freund bleibt.

Heymanns Lieder sind ein Stück heile Welt, „oft gepaart mit einem kleinen, textlichen Innehalten, einer liebevollen Warnung“ (Silvia Meixner) – etwa: Genieße das Leben, aber vergiss nicht, dass es auch dunkle Seiten gibt.

Nicht grundlos nannte der ebenso begabte Operetten-Texter und Musiker Robert Gilbert in seiner Grabrede Heymann einen „Künstler, dessen Begabung für Sprache von außerordentlicher Kraft und inniger Einfühlung bestimmt war“.

Bewegtes und bewegendes Leben

Werner Richard Heymann wurde als jüngstes von sieben Kindern des Getreidegrosshändlers Richard Heymann, der als Stadtverordneter angesehen war und als Gelegenheitsdichter des Königsberger Gesangvereins brillierte, und dessen Frau Johanna, am 14. Februar 1896 in der vornehmen Königsberger Tragheimer Pulverstraße geboren. Als Zwölfjähriger spielt er bereits Geige im Philharmonischen Orchester seiner Heimatstadt und beginnt mit ersten Liedkompositionen. Nach dem Tod seines Vaters, den Heymann als „ziemlich frommen Juden, wenn auch nicht orthodox“ bezeichnet, zieht er 1913 mit seiner Mutter nach Berlin. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, wird aber bereits nach drei Monaten wegen Krankheit entlassen. Zurück in Berlin beginnt er ein Medizin-Studium und heiratet seine erste Frau Lo.

Das Jahr 1917 verbringt Heymann in Wien. Seine neue Komposition Rhapsodische Sinfonie wird gedruckt und ein Jahr später von den Wiener Philharmonikern uraufgeführt. Nach Berlin zurückgekehrt, arbeitet Heymann an der Tribüne mit und ist zusammen mit Friedrich Hollaender Pianist im Kabarett Schall und Rauch. Als dritten Pianisten und Komponisten engagieren die beiden den begnadeten jüdischen Musiker Mischa Spoliansky.

In den Jahren 1921 bis 1923 hat er die musikalische Leitung von Trude Hesterbergs Wilder Bühne inne. Er vertont zu dieser Zeit insbesondere Texte von Mehring (Die kleine Stadt, Die Kälte, An den Kanälen), Klabund (Matrosenlied, In Algier sind die Mädchen schwarz), Tucholsky (Das Leibregiment, Die Dorfschöne) und Heller (Berliner Moritat, Aus Pennen und Kaschemmen) sowie von Fritz Grünbaum, Marcellus Schiffer, Gustav von Wangenheim. Durch Erich Pommer kommt Heymann zum Film, wird 1926 Generalmusikdirektor der UfA in Nachfolge von Ernö Rapée und komponiert für Filmmusikern, etwa zu Murnaus Faust oder zu Fritz Langs Spione. Zeitweilig arbeitet er mit den Erfindern des Tonfilms Masolle, Vogt und Engel zusammen und begründet in der Folge das Genre der Tonfilm-Operette.

Als Max Reinhardt 1928 Artisten herausbringt, wird Heymann engagiert, das Musikmaterial zu bearbeiten und einzurichten. Aus einer Improvisation heraus entsteht sein erster Schlager Kennst du

Friday the 13th. Joomla 2.5 templates.