Religiosität und Politischer Extremismus

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von Dr. Anton Szanya

Gewissheit und Dogmatismus

Der Fundamentalismus setzt an die Stelle des Zweifels und der generellen Ungewissheit ein absolutes Wissen, das jedem Zweifel entzogen ist. Dieses Wissen wird allerdings nicht durch seinen Inhalt oder seine Herkunft zum Fundament absoluter Gewissheit, sondern durch seine Immunisierung gegen den Zweifel im Zuge der kulturellen Entwicklung und, wo der Fundamentalismus dann an der Macht ist, durch die Erzwingung seines bevorrechteten Wahrheitsanspruches mit Hilfe der von ihm gelenkten staatlichen Einrichtungen.

Religiöser Fundamentalismus entzieht in der Regel heilige Texte oder ehrwürdige Überlieferungen der wissenschaftlichen Kritik. Zweifel und prüfendes Argument werden als Frevel moralisch bewertet und damit auch abgewertet. Am Ende entscheidet die Macht über die Wahrheit.

Säkularer Fundamentalismus erzeugt die Immunisierung seines Gewissheitsfundaments durch einen Zirkelschluss von einem privilegierten Interesse auf eine bevorrechtete Wahrheit und von dieser wieder zurück auf das privilegierte Interesse. Im Marxismus-Leninismus, wie er von Josef STALIN in den fundamentalistischen Aggregatzustand übergeführt worden ist, stellt sich dies folgendermaßen dar: Vom geschichtlich bevorrechteten Interessensstandpunkt des Proletariates wurde auf dessen besondere Fähigkeit zur Einsicht in den Geschichtsprozess geschlossen. Die aus dieser besonderen Einsicht gewonnene Deutung des Laufes der Geschichte bekräftigte wiederum den Vorrang des proletarischen Klasseninteresses vor den Interessen aller anderen gesellschaftlichen Gruppen. Wer sich dieser Ansicht nicht anschließen konnte, wurde zum Klassenfeind gestempelt und verfiel der Ächtung und dem Tod.

Wissenschafts- und Vernunftfeindlichkeit

Der Fundamentalismus ist grundsätzlich wissenschaftsfeindlich. Die Wissenschaft ist für ihn die Pforte des Verrats an der Wahrheit. Allerdings kann seine Wissenschaftsfeindlichkeit von Fall zu Fall unterschiedlich stark sein.

Religiöser Fundamentalismus kann wie im Falle des amerikanischen Provinzfundamentalismus nur in besonderen Fällen wissenschaftsfeindlich sein. Jedwede Wissenschaft, die den biblischen Inhalten widerspricht oder mit Vernunftgründen in Frage stellt, wird heftig bekämpft. In allen anderen Bereichen paart er sich hingegen bedenkenlos mit einer nicht minder fundamentalistischen Wissenschaftsgläubigkeit. Anders liegen die Verhältnisse im islamischen Fundamentalismus. Für ihn ist jede Art der Wissenschaft grundsätzlich verdammenswert. Allein der Zwang, gegenüber seinen Feinden militärisch nicht ins Hintertreffen zu geraten, nötigt ihn zur Nutzung moderner Technologie und Naturwissenschaft, wobei er aber stets aufmerksam bestrebt ist, die Autonomie der Wissenschaft zu beschneiden.

Säkularer Fundamentalismus kennt ebenfalls die beiden Ausprägungen der Wissenschaftsfeindlichkeit. Der grüne Fundamentalismus neigt zu einer allgemeinen Verdammung der Wissenschaft und der sie tragenden Vernunft, die er für die bestehende Misere der Umweltverschmutzung und des Raubaus an den Hilfsquellen der Natur verantwortlich macht. Der naturfeindliche Verstand, der hinter beiden steht, müsse durch Intuition, spirituelles Ganzheitsverstehen, Körperbewusstsein, Meditation und anderes dieser Art ersetzt werden. Damit rückt der grüne Fundamentalismus in die Nähe der New-Age- und Sektenbewegung.

Verheißung und Heil

Allen fundamentalistischen Spielarten ist ein Heilsversprechen gemeinsam, das entsprechend dem jeweiligen Fall andere Inhalte haben kann. Im Kern kreisen diese Versprechen aber alle darum, dass die jeweilige fundamentalistische Richtung die Wiederherstellung der vormodernen Einheit von Welterklärung und Lebensführung verheißt. Es ist diese mystische Einheit, die Aufdeckung einer sinnvollen inneren Übereinstimmung der großen kosmischen Abläufe mit dem kleinen menschlichen Leben und eines guten Ausganges für beide, also die „Wiederverzauberung der Welt“, was das fundamentalistische Wissen leistet. Für diese Gewissheit der in welcher Form auch immer gedachten Erlösung hat der Mensch sich den jeweiligen Anforderungen zu unterwerfen und ohne Zögern seine Güter und auch sich selbst zu opfern.

Religiöser Fundamentalismus verspricht jetzt wie ehedem die Erlösung in einem Jenseits, das nur den Guten offensteht und den Bösen verschlossen bleibt.

Säkularer Fundamentalismus verheißt seinen Anhängern eine harmonische, konfliktfreie Welt am Ende des Weges, in der je nach Ausrichtung entweder die Klassengegensätze aufgehoben sind oder der Mensch mit der Natur wieder versöhnt ist.

Der Heilige Krieg

Hinter allen Formen des Fundamentalismus steht ein manichäisches Weltbild, das die Welt als Kampfplatz zwischen den Kräften des Guten und des Bösen sieht. Zwischen diesen Kräften kann es keine Vermittlung geben, sondern nur den bedingungslosen Kampf. Die politische Kultur des Fundamentalismus ist der Heilige

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