Buchbesprechungen IV

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von Admin

Rotraud A. Perner, Schaff´ Dir einen Friedensgeist, Gewaltprävention im Alltag, aaptos Verlag, Wien 2001, ISBN: 3-901-499-06-6, 352 Seiten

Die bekannte Psychoanalytikerin, Psychotherapeutin, Juristin und Hochschulprofessorin (die Gewaltprävention lehrt) hat mit diesem Buch ihr Herzensanliegen zu Papier gebracht. In einer gleichermaßen engagierten wie systematischen Analyse der Gewaltsituationen im Alltag beschreibt sie nicht nur die zahllosen, oft unbemerkten Gewaltanwendungen, sondern gibt Ratschläge, wie derartiges Verhalten überwunden werden kann. Zahlreiche Übungen sind zu diesem Zweck in die diversen Kapitel eingeflochten, und wer sich nicht von vornherein gegen die Grundtendenz dieses Buches sperrt, wird möglicherweise über sich und andere einiges Neues erfahren können, Lösungen angeboten bekommen und mit Gewinn im täglichen Leben anwenden können. Nicht zuletzt ist dieses Buch von brennender Aktualität: Die Frage, ob es Situationen gibt, in denen Gewaltanwendung unverzichtbar ist, kann intellektuell ergiebig nur von solchen Menschen diskutiert werden, die sich zumindest um die Überwindung der alltäglichen Gewalt bemühen.

Rainer Ernst Schütz

Evan Burr Bukey: Hitlers Österreich; „Eine Bewegung und ein Volk”. Hamburg, Wien: Europa Verlag 2001

Fünfzig Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches ermöglicht die Öffnung diesbezüglicher Archivbestände eine eingehende Erforschung der Umstände des Anschlusses Österreichs an Deutschland und der Stimmungsschwankungen der Bevölkerung in den darauf folgenden sieben Jahren. Evan Burr Bukey stützt seine Studie über die „Volksstimmung in der Nazi-Ära“ – so der dem Inhalt eher gerecht werdende Untertitel der amerikanischen Originalausgabe als der sogar irreführende der deutschen Übersetzung – auf Lageberichte des Sicherheitsdienstes, der Gestapo, auf Meldungen poli¬tischer Organe und auf Beobachtungen der Justizbehör¬den. Diesen Quellen stellt er Tagebuchaufzeichnungen und Be¬richte ausländischer diplomatischer Vertreter und Geheim¬dienste gegenüber. Aus diesem vielfältigen Material konnte Bukey ein sehr differenziertes Bild der Stimmungen und Einstellungen in der österreichischen Bevölkerung während der sieben Jahre der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich schaffen. Als Amerikaner hatte er auch den entsprechenden Abstand zu seinem Stoff, der ihn vor den Gefahren patriotischer Legendenbildungen, denen österreichische Autorinnen und Autoren nicht immer entgangen sind, bewahrte. Österreichische Leserinnen und Leser werden wohl bedauern, dass der Verlag die Übersetzung beziehungsweise das Lektorat nicht in österreichische Hände gelegt hat. Dadurch kam es zu einer Anzahl missverständlicher, wenn nicht fehlerhafter Formulierungen. Derartige Fehler können zwar die Verdienstlichkeit des vorliegenden Buches nicht schmälern, schaffen aber doch Unsicherheit, ob ihm in allen Einzelheiten vertraut werden darf.

Anton Szanya

Nina Scholz, Heiko Heinisch: „... alles werden sich die Christen nicht gefallen lassen.“ Wiener Pfarrer und die Juden in der Zwischenkriegszeit. Wien: Czernin 2001.

In dieser vom Ludwig Bolzmann-Institut für Historische Sozialforschung geförderten Studie weisen die Autoren durch die Analyse von 1749 Ausgaben Wiener Pfarrblätter aus den zwanziger und dreißiger Jahren nach, dass der Antisemitismus im Wiener Pfarrklerus endemisch war und von ihm beständig im Kirchenvolk geschürt wurde. Ein Vergleich der Argumen¬tationsmuster weist auch auf, dass der immer wieder behaup¬tete Unterschied zwischen religiösem Antijudaismus und Ras¬sen¬antisemitismus, der allein als Ursache für den Massenmord an den europäischen Juden anzusehen ist, nicht auszumachen ist. Die katholische Kirche trägt daher für die judenfeindlichen Ausschreitungen in Österreich vor und während der nationalsozialistischen Herrschaft ein gerütteltes Maß an Verantwortung, zu der sie sich nie hat bekennen wollen.

Anton Szanya

Neues bei Henschel

Elisabeth Birnbaum, Walter Berry. Die Biografie, Verlag Henschel, Berlin 2001.

Im vergangenen Jahr ist Kammersänger Walter Berry völlig unerwartet verstorben. Der als Professor an der Wiener Musikuniversität früher lehrende Gesanglehrer konnte auf ein bewegtes und erfolgreiches Arbeitsleben zurückblicken. Als die Autorin Berry 1999 anläßlich seines 70. Geburtstages fragte, ob sie eine Biografie verfassen dürfe über ihn, hatte er sich dazu bereitschlagen lassen; nicht wissend, daß er das Erscheinen des informativen und spannend geschriebenen Buches nicht mehr erleben würde. Somit ist aus dem Buch ein würdiger Nachruf geworden.

Beate Hennenberg

Renate Seydel, Marlene Dietrich. Ein Leben in Bildern, Verlag Henschel 2001.

Nachdem der Romy-Schneider-Buchbildband (allerdings im Paperback) der gleichen Autorin so gut ankam, hat sie mit dem Filmidol Marlene Dietrich in die gleiche Marktnische gestoßen: Das Buch bringt bis auf ganz wenige Ausnahmen schwarz-weiß-Fotografien, die das Leben der Schauspieldiva illustrieren. Ein begleitender Text in engen Spalten erwähnt weitere interessante biografische Details. Durch die opulenten Fotos dürfte auch dieser im Preis sehr gut gelegene Band seine Käufer finden.

Beate Hennenberg

Musikalien bei Bärenreiter
J. S. Bach, Motetten, Klavierauszug, Musikverlag Bärenreiter, Kassel 2000.

Bachs Motetten, alles wunderbar aussagestarke und wirkungsmächtige Auftragswerke, sind – vom musikge¬schicht¬lichen Standpunkt heraus gesehen – späte Beiträge zu einer Gattung, die Mitte des 18. Jahrhunderts längst vorüber war. Noch immer bezaubern aber gerade diese Werke die Menschen von heute, gerade, weil sie von Bach aus nicht auf die große Wirkung aus waren, sondern direkt ins Herz zielen sollten.

Beate Hennenberg

Mit Patmos durch die Untiefen der Welt

Da berühen sich Himmel und Erde. Musik und Spiritualität. Was wäre das Leben ohne Musik. Gedanken und Gedichte. Beide: hg.von Michael Fischer, Verlag Benzinger/ Patmos, Zürich und Düsseldorf 2000.c

Der Verleger und Kirchenmusiker Michael Fischer hat ein recht glückliches Händchen, was das Zusammenstellen von einschlägigen Textzitaten zu einem umfassenden, komplexen Thema anbelangt. Bei der erstgenannten Anthologie handelt es sich um Aussprüche von Autoren wie Martin Luther, Johann Gottfried Herder, aber auch Richard Wagner und sogar Hans Zender und Rose Ausländer. Es dürfte für jeden Geschmack etwas dabeisein, wiewohl das Herauslösen der Zitate aus dem Textverbund manchmal auch problematisch ist.

Das zweite Büchlein untersucht die Musik als Sprache der Seele, spürt dem Spiel der Musik nach oder sieht Musik als Grenzpunkt des Menschlichen, wieder beleuchtet aus den Blickrichtungen diverser bekannter und weniger bekannter Autoren.

Beate Hennenberg

Antoine de Saint-Exupéry, Man kennt nur die Dinge, die man zähmt. Eine Anthologie, hg. von Rainer Thuß, Verlag Benzinger/ Patmos, Zürich und Düsseldorf 2000.

Der Herausgeber widmet sein Büchlein Gedanken und sinnreichen Aussprüchen des Schriftstellers, Philosophen, Erfinders, Mathematikers, des Verkehrsfliegers, Testpiloten und Kriegshelden de Saint-Exupèry. Daß dieser weitsichtige Universalgelehrte nicht nur als Autor des Kleinen Prinzen im Gedächtnis bleiben möge, sondern daß auch weitere Facetten seines Denkens und Handelns zum Tragen mögen, will dieses Buch bewirken.

Beate Hennenberg

Ulrich Schreiber, Opernführer für Fortgeschrittene. Die Geschichte des Musiktheaters: Das 20. Jahrhundert. Von Verdi und Wagner bis zum Faschismus, Musikverlag Bärenreiter, Kassel 2000. 772 S., DM 88,-.

Im Werbetext steht: Vor der Oper zu lesen, und tatsächlich kann dem Musikliebhaber nichts besseres passieren, als diesen Opernführer in die Hand zu bekommen, vielleicht vergisst er ja, die gebuchten Opernkarten einzulösen. Tatsächlich schlüsselt Schreiber, Musikkritiker einer renommierten deutschen Tageszeitung, kompetent und fachlich wie sachlich spannend und korrekt die Inhalte der Musiktheater-Werke ab Verismo und Verdi auf. Abgehandelt werden Werke von Wagner und Sohn über Verdi und Mascagni bis Richard Strauss, Hindemith, Krenek und der zweiten Wiener Schule. Insofern ergänzt Schreiber jene Musikfortschreibung, die Rosen in seinem jüngsten aufsehenerregenden Buch Die Musik der Romantik (Residenz Verlag Salzburg 2000) darstellt.

Beate Hennenberg

Spirituelles bei Patmos

Ein Hauch der Gottheit ist Musik. Gedanken großer Musiker, ausgewählt und herausgegeben von Meinrad Walter, Benziger Verlag, Zürich; Düsseldorf 2000.

Musik sagt mehr als tausend Worte. Musikalisches im Spiegel der Literatur, herausgegeben und zusammengestellt von Meinrad Walter, Benziger Verlag, Zürich; Düsseldorf 2000.

Veronika Beci, Musikalische Salons. Blütezeit einer Frauenkultur, Verlag Artemis & Winkler, Düsseldorf 2000.

Monika Buschey, An jenem Tag im blauen Mond September. Berühmte Liebespaare, Verlag Artemis & Winkler, Düsseldorf 2000.

Der Inhalt ist nicht schwer wiedergegeben: Künstler erzählen vom Musizieren, von Komponisten und deren Werken und vom Geheimnis der menschlichen und künstlerischen Schöpfung überhaupt, darunter Gidon Kremer, Christa Ludwig, Edwin Fischer, Maria Callas, Alfred Brendel und was der Spitzen-Namen mehr sind. Das Buch eignet sich als Wegbereiter, Wegbegleiter und als Geschenk für Verzagte.

Gedichte sind dem Geheimnis der Klänge auf der Spur, so der Herausgeber. Und deshalb machte er sich auf, die Phänomene von Komposition und Improvisation zur Sprache zu bringen. Hermann Hesse, Ingeborg Bachmann, Peter Altenberg und andere sensible Geister werden bemüht.

19. Jahrhunderts ist von Männern bestimmt – falsch, denn viel Potential blieb unentdeckt und ungewürdigt. Hier macht sich Beci erfolgreich auf die Spurensuche.

Monika Buschey folgt den Äußerungen von neun verliebten Paaren, wobei der Grad der Besessenheit sicherlich schwankt. Inzwischen weiß man von Brechts Kalkül bei der Frauensuche, Mozart war überschwänglich im Ausdruck und Klabund und Carola Neher hatten sich insgeheim vielleicht auch was anderes erhofft. Dennoch ist das Buch durchaus lehrreich und begeisternd.

Beate Hennenberg

Peter Vujica, Bitte, blättern Sie weiter. Die besten Kolumnen aus acht Jahren Standard, hg. von Thomas Trenkler, Verlag Czernin, Wien 2000.

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