Wer die Macht hat, setzt das Recht

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von Rainer Ernst Schütz

Der Pazifismus ist als Weltmodell gescheitert

und die USA führen vor, wie man Hegemonialmacht wird und bleibt

Wäre das nicht ein schöner Staat, in dem es keine Gewalt gäbe, keine Polizei nötig wäre, um notfalls gewaltsam ordnend einzugreifen, keine Gefängnisse, in denen Missetäter verwahrt werden müssten? Und wäre das nicht eine schöne Welt, in der weltweit die Prinzipien der Menschenrechtskonvention der UNO respektiert würden, in der Konflikte durch Verhand-lungen statt durch Kriege gelöst würden, und in der eine gute und gerechte Weltregierung in milder Weisheit alles zu Guten lenkte?

Traum und Wirklichkeit

Gewiß. Leider haben diejenigen, die derartige Visionen pflegen, übersehen, daß es blöderweise immer wieder Individuen gibt, die sich nicht um diese Ideale kümmern, sondern schlicht und einfach ihren eigenen Vorteil suchen oder auch nur einfach „durchdrehen“.

Im innerstaatlichen Bereich gibt es dafür Gesetze, die dem Treiben der Individuen Grenzen setzen, und die notfalls auch mit Gewalt – mit Hilfe des Gewaltmonopols des Staates – durchgesetzt werden. Allerdings gibt es seit einigen Jahrzehnten politische Kräfte, die eben-diese Gewaltanwendung des Staates auszuhöhlen suchen. Unter wortreicher Argumentation – besonders beliebt ist der Hinweis auf die „Menschlichkeit“ – wird versucht, die Gesetzelage aufzuweichen und die Durchsetzung bestehender Gesetze zu verhindern. Von der Nichtbestrafung von Rauschgift¬konsu¬menten über die Nichtverfolgung krimineller Kleindelikte bis zur Nichtabschiebung illegal anwesender Ausländer reicht der Bogen dieser bereits zur Gewohnheit gewordenen Nichtbeachtung bestehender Gesetze. Druck in dieser Richtung wird stets von jenen politischen Kräften gemacht, die sich im Bereich internationaler Politik durch ausgeprägten Pazifismus auszeichnen. Kern dieser Politik ist offenbar die Vorstellung, der Appell an die Menschlich¬keit und an die Vernunft müsse ausreichen, um Probleme aller Art zu lösen. Nun, im nationalen Bereich ist es Sache des Wahlvolkes, zu beurteilen, ob man ohne Anwendung des Gewaltmonopols im Justizbereich auszukommen glaubt und jedes Land hat die Politik, die es verdient.

Ohne Gewaltpotential kein Einfluß

Im internationalen Bereich gibt es das Völkerrecht und die UNO; beides ist aber nicht, wie die nationale Gesetzgebung, durch einen demokratisch legitimierten Entscheid eines Souveräns entstanden. Vielmehr ist das Völkerrecht eher als eine empirische Verhaltensbeschreibung der Mehrheit der Staaten denn als ethisch stringete Kodifizierung von Normen zu bezeichnen. Es ist eine Auflistung von Vorschriften ohne Sanktionsmöglichkeiten. Und die UNO ist ein wechselseitiger Vertrag zwischen vielen, aber nicht allen Staaten der Erde, der eine Organisation ins Leben gerufen hat, die sich bisweilen so verhält, als wäre sie von einem übergeordneten Souverän legitimiert. Beide Einrichtungen, Völkerrecht wie UNO, haben schwere Defizite. Im Völkerrecht ist beispielsweise die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten eines Staates als Prinzip festgeschrieben, was im Extremfall einen straflosen innerstaatlichen Holocaust ermöglicht. Und für Verletzungen des Völkerrechts gibt es keine Sanktion, mangels Gewaltpotential. Theoretisch könnte da die UNO eingreifen und tut es auch bisweilen, aber ihre innere Konstruktion ist so beschaffen, daß sie sich in einer große Zahl von Fällen selbst lähmt, und von einem Gewaltmonopol der UNO kann natürlich keine Rede sein.

Damit ist aber die internationale Situation nicht viel anders als vor zweitausend Jahren im Römischen Reich. Wer die Macht hat, setzt das Recht. Wie jedes irdische Gesetz zu seiner Wirksamkeit einer gewissen Gewaltandrohung bedarf für den Fall, daß es gebrochen wird, genauso werden internationale Verhandlungen in Konfliktfällen nur dann ein Ergebnis bringen, wenn für den Fall des Scheiterns ein glaubwürdiges Drohszenario vorliegt. Genau das erleben wir derzeit im Irak-Konflikt: Und die USA ist die Macht, die die Regeln bestimmt. Wem das nicht gefällt, der braucht nicht den USA böse zu sein, sondern sollte sich selbst bei der Nase nehmen und all die europäischen Politiker, Parteien und Wähler, die glaubten, als Trittbrettfahrer der amerikanischen Macht ein leichtes Leben zu haben.

Europa könnte, wenn es wollte

Nichts außer der eigenen Dekadenz hat Europa gehindert, selbst die bestimmende Macht zu sein. Spätestens seit dem Beginn der großen Prosperität Ende der Sechzigerjahre wäre Zeit gewesen, sich durch außen- und militärpolitische Kooperation der europäischen Staaten inner-halb von dreieinhalb Jahrzehnten zur Führungsmacht zu entwickeln. Aber dazu hätte es nicht Oster-Friedensmärsche, sondern massive Aufrüstung und ein Bewußtsein für machtpolitische Realitäten gebraucht. Von der Bevölkerungs¬zahl, der industriellen Kapazität und den finanziellen Ressourcen her wäre es Europa durchaus möglich gewesen, die USA einzuholen, wohl auch zu überholen. Was fehlte, war der Wille.

Eine Führungsmacht Europa könnte durch die Drohung ihres Machtpotentials Frieden erzwingen, könnte eine Weltordnung nach eigenen Regeln durchsetzen. Ein bis zur Lächerlichkeit ohnmächtiges Europa hat nur drei Möglichkeiten: eine theoretische und zwei praktische. Theoretisch könnte Europa sich eines Besseren besinnen, die eigene Verantwortung wahrnehmen und mit gewaltigen Anstrengungen in zwei, drei Generationen wieder Führungsmacht sein. Man zeige mir, wo in Europa für diesen Weg eine Mehrheit zu finden ist, dann glaube ich an diese Möglichkeit. Praktisch ist Europa auf Jahrzehnte hinaus hoffnungslos unterlegen.

Denn die USA, jedenfalls die gegenwärtige Administration, ist nicht von der Vorstellung beherrscht, man könne die Welt durch Appelle gestalten. Die USA betreibt klare und zielstrebige Interessenpolitik. Und die amerikanischen Interessen sind nur sehr begrenzt mit den europäischen Interessen identisch. In wesentlichen Bereichen gibt es Konkurrenz: Die USA hat ein natürliches Interesse daran, daß Europa nicht zu stark wird, und natürlich auch daran, daß es nicht Führungsmacht wird. Daher ist den USA alles willkommen, was Europa zwar wirtschaftlich so stark macht, daß es für internationale Agenden beträchtlich zur Kasse gebeten werden kann, aus diesen Zahlungen aber keinen machtpolitischen Vorteil davonträgt; während die USA ihre Ressourcen direkt in ihre Rüstung investieren können und so ihre Führungsrolle absichern. Die europäischen Pazifisten mit ihrer Ablehnung der europäischen Rüstung arbeiten seit Jahrzehnten diesen Interessen der USA direkt in die Hände.

Der pazifistische Traum ist gescheitert

Der Hoffnung der Pazifisten steht die schlichte Realität gegenüber. Um ihre Ziele durchsetzen zu können, müßten sie zuerst das Machtmonopol erringen. Das ist aber ohne Militärpotential nicht zu haben. Also ist der pazifistische Traum nicht realisierbar.

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