Dresden nach Den Haag? (2)

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Es herrscht unverkennbar Empörung darüber, daß die Vereinigten Staaten von Amerika für ihre Soldaten Immunität vor dem am 1. Juli in Den Haag installierten internationalen Strafgerichtshof fordern. Auch deren Soldaten sollten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestraft werden können. Geteilte Gerechtigkeit dürfe es nicht geben.

Der Traum von einer umfassenden Harmonie, der an sich faszinierend ist, entpuppt sich leider meist als Wegbereiter des Despotismus. Eine Weltgewalt, unter der alle in ewigem Frieden leben, bleibt eine Illusion. Von den dunklen Zeiten der UNO wissen wir, daß diese Institution nur allzu gerne zur antiamerikanischen und antiwestlichen Agitation verwendet wird, wo die Sünde das Monopol des weißen Mannes ist. Hinter dem Weltgericht, das andernfalls als Tribunal der Ersten Welt desavouiert werden wird, lauert diese Gefahr ebenfalls.

Ein internationales Strafgericht wird immer nur punktuelle Gerechtigkeit anstreben können und gerade deshalb den Haß kultivieren. Es wird immer zur moralischen Erniedrigung politisch instrumentalisiert werden. Natürlich ist die persönliche Schuld eines Milosevic zweitrangig. In erster Linie lautet die Botschaft: Nie wieder soll ein kleiner Diktator die Staatengemeinschaft an der Nase herumführen können.

Eine Trennung von politischer und juristischer Komponente wird es nicht geben. Die Beschuldigten in Den Haag werden immer stellvertretend für eine Regierung oder einen Staat auf der Anklagebank sitzen und die Frage nach dem gerechten Krieg wird immer präsent sein. Wer Machtpolitik betreibt, wird sich immer die Hände schmutzig machen. Darauf zu verzichten und die Lehren der Appeasement-Politik zu vergessen, hieße über kurz oder lang, den Hitlers dieser Welt das Feld zu überlassen. Wenn aber jede Machtpolitik der internationalen Justiz ausgesetzt ist, dann werden die Puristen des Strafrechts bald mit Forderungen aus extremistischen Lagern nach Verfolgung aller möglichen Verbrechen konfrontiert sein. Die einen werden Gerechtigkeit für Hiroshima, Vietnam oder den jüngsten Beschuß einer afghanischen Hochzeitsgesellschaft fordern, die anderen werden Gerechtigkeit für die Bombardierung Dresdens und die Verfolgung der Kampfpiloten fordern. Recht müsse wohl Recht bleiben. Wenn den Extremisten bisher nicht die Relativierung ihrer eigenen Ideologien gelungen ist (Stichwort: Verharmlosung des Nationalsozialismus), werden eben die Demokratien mit ihrem eigenen moralischen Anspruch relativiert. Das Schlechte geht an sich selbst zugrunde, das Gute an Übertreibung.

Tatsächlich ist vorhersehbar, daß sich der moralisch-puristische Anspruch, der hinter der Idee des Weltgerichtes steht, letztlich gegen die freie Welt richten wird. Von den Neo-Kommunisten über die Terroristen bis zu den Neo-Nazis wird eine Verfolgung der USA und ihrer Soldaten durch dieses Gericht gefordert werden. Gerade die Verfechter der Weltstrafgerichtsbarkeit werden, mit dem drohenden Vorwurf der Siegerjustiz konfrontiert, dem wenig entgegenzusetzen haben. Das Gericht würde sohin genau das Gegenteil von dem bewirken, wozu es erfunden worden ist. Das Gefühl, daß die Welt ungerecht ist, würde nicht verringert, sondern verstärkt werden.

Wir dürfen die Skrupellosigkeit der Feinde der freien Welt nicht unterschätzen. Wir sollten ihnen kein Instrument in die Hand geben, das ihnen erlaubt, uns mit der justiziellen Moralkeule zu erschlagen. Dann hätten wir ihnen wirklich den Strick geliefert, mit dem sie uns erhängen. Sehen wir pragmatisch ein, daß es keine Weltgerechtigkeit geben kann. Wählen wir mit Goethe lieber Ungerechtigkeit als Unordnung.

Allen Dogmatikern einer universellen Strafverfolgung sei daher gesagt: Fiat iustitia pereat mundus ist der Geschichte, nicht aber der Weisheit letzter Schluß.

Die Erstveröffentlichung dieses Beitrages erfolgte in der Tageszeitung DIE PRESSE. Wir danken für die Genehmigung zur Wiederveröffentlichung.

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