Manfried Rauchensteiner zu Gast im Club Unabhängiger Liberaler

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Der Historiker, langjährige Direktor der Wiener Heeresgeschichtlichen Museums und vielfache Buchautor Manfried Rauchensteiner, war zur Präsentation seines kürzlich erschienenen Buches Unter Beobachung: Österreich 1918 – 2018 im CUL eingeladen.

Der Autor stellte dem Publikum zwei Vortragsvarianten zur Wahl: Entweder die Beschäftigung mit dem „Anschlussjahr“ 1938 oder eine Tour d´Horizon durch die „Achter-Jahre“ von 1928 bis 2018 unter Auslassung des Jahres 1938, das zu besprechen in diesem Rahmen zu viel Raum beansprucht hätte. Das Publikum entschied sich mehrheitlich für letztere Variante.

1928 hat für Rauchensteiner insofern Bedeutung, als das staatliche Gewaltmonopol damals unübersehbar den Rückzug antrat und paramilitärischen Verbänden die Straße überließ. Darin lag Anfang von Ende der Demokratie. Die wirtschaftliche Lage war in der Zeit 1924 bis 1929 - also nach der Hyperinflation und vor der Weltwirtschaftskrise - nicht so schlecht. Doch die Existenz starker bewaffneter Privatarmeen (die zahlenmäßig stärkste davon stellte der „republikanische Schutzbund“ der Sozialdemokratie), war mit einem friedlichen Miteinander der einander zunehmend feindselig und gewaltbereit gegenüberstehenden politischen Blöcke unvereinbar.

Ein im September 1928 in Wiener Neustadt gleichzeitig stattfindender Aufmarsch von Verbänden des Schutzbundes und der christlichsozialen Heimwehren, ging nur dank eines Großaufgebots des Bundesheeres ohne Zwischenfälle über die Bühne.

Das Jahr 1938 wurde, wie angekündigt, nur kurz gestreift. Die Frage, ob die Entscheidung von Kanzler Schuschigg, dem Einmarsch deutscher Verbände keinen bewaffneten Widerstand zu leisten, richtig oder falsch war („Deutsche schießen nicht auf Deutsche…ich weiche der Gewalt“), wird unter Historikern noch heute diskutiert.

1948: Die „Moskauer Deklaration“ vom 30. 10. 1943, erklärt den „Anschluss“ für ungültig, bezeichnet Österreich als das erste Opfer der nationalsozialistischen Aggressionspolitik und fordert die Wiederherstellung des Vorkriegszustandes. Das fast im vollen Wortlaut von den Briten gestaltete Dokument, bildete eine willkommene Ausgangsbasis für die Gründung der Zweiten Republik. Der Beginn des Marshallplanes lieferte eine der Grundlagen für die wirtschaftliche Erholung des Landes nach dem Krieg.

Sowohl in den russischen, als auch den von den Westalliierten beherrschten Besatzungszonen, gab es Teilungsüberlegungen, die am Ende aber nicht realisiert wurden. Die Einheit Österreichs war letztlich allen Mächten – auch den Sowjets - ein Anliegen.

1958 kam es im Zuge der Verlegung von US-Truppen in den Libanon zur bisher schwersten Neutralitätsverletzung: Eine größere Zahl von amerikanischen Militärmaschinen überflog widerrechtlich österreichisches Hoheitsgebiet, was insofern heikel war, als eine hochrangige österreichische Delegation sich zur selben Zeit auf Staatsbesuch in Moskau befand, um Erleichterungen bei den Reparationsbedingungen (Erdöllieferungen an die Sowjets) zu verhandeln.

Da die Amerikaner zeitgleich einige im Staatsvertrag niedergelegte Punkte, hauptsächlich im Zusammenhang mit der Restitution von NS-Raubgut, seitens der österreichischen Bundesregierung nicht erfüllt sahen, kam es zu einer kurzzeitigen diplomatischen Verstimmung, die in der Sperrung von ERP-Krediten durch die USA und der Verweigerung von Militärhilfen für das Bundesheer gipfelte.

Das Jahr 1968 war außenpolitisch durch die „Tschechenkrise“ und intern durch Studentenrevolten geprägt. Vordergründig wurde zwar gegen den Vietnamkrieg, in Wahrheit aber gegen die bürgerliche Regierung demonstriert. Die Jugendproteste richten sich gegen nicht weniger als die gesamte „spießige“ Nachkriegskultur. Kanzler Klaus, der auf die wirtschaftliche Modernisierung des Landes fokussiert war, konnte dieser Herausforderung nicht wirksam begegnen, was zwei Jahre später zum Wahlsieg des vergleichsweise modern und kosmopolitisch wirkenden Sozialdemokraten Bruno Kreisky führte.

1978 war das „Zwentendorfjahr“. Mit der hauchdünnen Mehrheit von 50,5% entschieden sich die Wähler dafür, ein für Unsummen fertiggebautes Kernkraftwerk nahe Wien, nicht in Betrieb zu nehmen, nachdem Kanzler Kreisky seine politische Zukunft trickreich vom Ausgang dieser Abstimmung abhängig gemacht hatte. Er machte seine Rücktrittsankündigung im Falle eines negativen Volksentscheides indes nicht wahr.

1988 war das „Jahr der Historikerkommission“. Die sollte über die Beteiligung von Bundespräsident Waldheim an NS-Kriegsverbrechen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges befinden. Am Ende wurde ihm „konsultative Mitwisserschaft“ attestiert – ein mehr als schwammiger Begriff, der so gut wie nichts aussagt. Den Stellungnahmen einiger Kommissionsmitglieder war zu entnehmen, dass sie den Verhandlungen aus sprachlichen Gründen nicht so recht folgen konnten, oder aber die ermittelten Fakten je nach Gelegenheit und Bedarf entweder für oder gegen Waldheim interpretierten.

1998 begann die Provenienzbestimmung für insgesamt 10.000 Kunstobjekte, die sich im Besitz der Republik Österreich befanden.

Der im Jahr 2008 erfolgte Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehmann-brothers hatte und hat bis heute wirtschaftliche Auswirkungen auf Österreich.

Im selben Jahr verunglückte Jörg Haider tödlich – ein Mann, der seit seiner Kür zum Chef der FPÖ anno 1986, die Republik – insbesondere deren Außenwahrnehmung – geprägt hat, wie kein anderer. Die „Waldheimaffäre“ und Haiders wiederholtes Kokettieren mit der NS-Zeit, haben im Ausland maßgeblich dazu beigetragen, Österreich „unter Beobachtung“ zu stellen und die Berichterstattung über das Land immer wieder negativ zu beeinflussen.

 

Andreas Tögel

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