Manfried Welan im Club: Analysen und Einschätzungen zum Wahlergebnis

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Drei Tage nach der Nationalratswahl präsentierte Manfried Welan, emeritierter Rektor der Universität für Bodenkultur, Staatsrechtsexperte, ehemals Wiener Stadtpolitiker (ÖVP) und profunder Kenner der heimischen Innenpolitik, seine Analyse zum Ergebnis der Wahl, sowie seine Einschätzung deren Konsequenzen einem zahlreich erschienen Publikum im Club Unabhängiger Liberaler.

Nach wie vor bestimmten im Wesentlichen die drei bereits unmittelbar nach dem Krieg geformten Lager die Politik des Landes. Nach wie vor sei die Regierung in Österreich stark, das Parlament aber schwach. Dieses sei eher "Gesetznehmer" denn Gesetzgeber. Die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments seien unterentwickelt, das Fragerecht der Regierungsparteien ein Vehikel zur Marginalisierung der Möglichkeiten der Opposition. Der von ihm sehr geschätzte Norbert Leser sei daher der pessimistischen Ansicht, der Parlamentarismus in Österreich wäre am Ende. Er, Welan, habe dagegen eine eher optimistischere Sicht - es könne sich schließlich immer etwas zum Besseren wenden.

Das aktuelle Wahlergebnis verheiße allerdings nicht viel Aussicht auf positive Veränderungen. Welan zitiert dazu Wiktor Tschernomyrdin, den Berater von Boris Jelzin, der einst meinte, "Wir wollten wirklich etwas Neues machen, aber heraus kam dabei immer wieder die KPdSU...".

Ein Abgeordneter gelte in Österreich traditionell recht wenig. Worauf es wirklich ankäme, seien nämlich die Minister. Die Exekutive - die Regierung und deren Bildung - seien das Allerwichtigste im Lande.

Zu dem von Norbert Leser angeregten Modell einer Minderheitsregierung werde es nicht kommen. Dazu bedürfe es einer konstruktiven Opposition, die es schlicht nicht gäbe. Außerdem wäre der Bundespräsident dagegen und würde alles daransetzen, eine stabile Regierungsmehrheit zustande zu bringen.

Die ÖVP sei eben dabei, den Preis ihrer Regierungsbeteiligung hochzutreiben - ein nach Ansicht Welans aussichtsloses Unterfangen. "Spindelegger ist kein Schüssel!" Eine Regierungskoalition aus SPÖ und FPÖ halte er für undenkbar - "ohne einen Kreisky". Der hätte eine solche Konstellation verwirklichen können, nicht aber Faymann.

Eine Proporzregierung, wie sie in Österreich Tradition habe, führe überall sonst zu einer wachsenden Parteienvielfalt. Nicht aber hierzulande. Das System reproduziere sich an der Spitze und werde daher zunehmend unattraktiv. Es herrsche ein eklatanter Mangel an Parteineugründungen. Und wenn es denn eine gäbe - siehe Zitat Tschernomyrdin...

In der anschließenden Publikumsrunde adressierte Welan einige spezifisch österreichische Besonderheiten:

Die Medien interessierten sich wenig für das Parlament, dafür aber viel für die Regierung, bzw. für Minister Stellungnahmen von Ministern. Ferner: "Die Medien hassen die Bürokratie."

Die Bürokratie stelle indes eine - leider "stumme, intellektuelle Reservearmee“. Das Potential der Bürokratie werde zu wenig genutzt und stehe nur den Regierungsparteien, nicht aber der Opposition zur Verfügung. Dadurch wäre es für diese ungeheuer schwer, konstruktive Sacharbeit (etwa in den Parlamentsausschüssen) zu leisten.

Der "Klubzwang" sei eine Legende und habe praktisch kaum Bedeutung. Man dürfe nicht den gewaltigen Zeitaufwand der Parlamentsarbeit vergessen, der es nötig mache, seinen in anderen Ausschüssen tätigen Parteifreunden zu vertrauen - und deren Stimmverhalten im Plenum zu folgen.

Dem österreichischen Volkscharkater entspreche ein starkes Obrigkeitsdenken.

Das Parlament verfüge - anders als etwa das deutsche oder das amerikanische - über keinerlei Experten. Diese befänden sich ausschließlich in den Ministerien und müssten weit stärker in die parlamentarische Arbeit eingebunden werden. Insbesondere die Beamtenschaft im Finanzressort leiste hervorragende Arbeit.

Mehr direkte Demokratie wäre wünschenswert und würde das System beleben.

Politik sei die „Fortsetzung von Traditionen mit anderen Mitteln“.

Das Parlament als "Tratschnest" besitze ein stark theatralisches Element...

Andreas Tögel

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