Matthias Strolz von den „Neos“ im Club

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Eine für Liberale wählbare Alternative?

Nichts könnte die gerne zitierte „Politikverdrossenheit“ im Lande Metternichs besser dokumentieren als die Tatsache, daß eine zunehmende Zahl von Parteineugründungen mit den „Altparteien“ um die Wählergunst konkurriert. Nach „Piraten“ und Stronach-Partei nun also die „Neos“ (http://neos.eu), die ihren Gründungskonvent im Oktober des Jahres zelebrierten. Deren Vorsitzender, Matthias Strolz, 40jähriger, selbständiger Unternehmensberater und Vater dreier Töchter, präsentierte einem interessierten Publikum seine Vorstellungen von einer „Neuen Politik“ für Österreich.

Der Grund für sein politisches Engagement sei dem Umstand geschuldet, daß er nicht mehr gewusst habe, wen er wählen solle. Die Glaubwürdigkeit der herrschenden politischen Klasse liege am Boden. Es herrsche Stillstand, ja „Depression“ im Lande, die eine „spezifisch österreichische Dimension“ habe.

Er wolle das ändern, Zuversicht wecken, Eigenverantwortung stärken, eine Politik mit „Lust und Leichtigkeit“ machen. „Anderes Personal“ stünde für eine Politik mit neuem Stil. Er und seine Mitstreiter kämen „aus der Mitte der Gesellschaft“. Strolz betont den hohen Anteil von Unternehmern in den Reihen der Neos und deren „Akademikeranteil von gefühlten 100%“. Ziel seiner Partei sei es, „das Parlament aus seinen Fesseln zu befreien“, damit es „wieder in die Kraft kommt“. Der Einfluß von Landeshauptleuten und Kammern solle zurückgedrängt werden. Er wolle Transparenz und Wertschätzung voranbringen, Verbindendes über Trennendes stellen und „Allianzen schmieden“. Politische Prozesse sollten neu aufgesetzt, drei Viertel der Abgeordneten direkt gewählt und nicht über Parteilisten inthronisiert werden. Dazu passt ein deutliches Bekenntnis zum Persönlichkeitswahlrecht und zu „mehr direktdemokratischen Elementen“.

Ein besonderes Anliegen sei den Neos der Bereich Bildung. Strolz konzentriert seine Kritik auf den Umstand, daß derzeit viele Migrantenkinder in Sonderschulen landen und viele Hauptschulabgänger „nicht richtig lesen können“ würden. Das müsse sich dringend ändern. Es solle eine „Subjektförderung“ der Eltern schulpflichtiger Kinder geben [eine Wiedergeburt der alten Idee Milton Friedmans, „Bildungsgutscheine“ auszugeben, Anm.]. Die Frühkindpädagogik sei zu verstärken.

Nach Plädoyers für die Abschaffung der Kammerzwangsmitgliedschaften und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, wendet sich Strolz internationalen Fragen zu. Ohne Umschweife bekennt er sich zur Transformation der EU in einen Europäischen Bundesstaat. „Billige Stimmungsmache gegen Europa“ lehne er ab. Wer könne schließlich Schutzzölle wieder einführen; wer tatsächlich wieder Schlagbäume an den Grenzstellen haben wollen? Genau das aber bedeute eine Abkehr von Europa. Dann wörtlich: „Die EU ist ein Elitenprojekt und als solches OK!“ Man müsse europäische Institution – so auch die politischen Parteien – stärken, denn „die Parteien sind die Säulen der Demokratie“.

Das Österreich beherrschende Machtkartell sei dem Tod geweiht. Immerhin hätten SPÖ und ÖVP zusammen bisher bereits rund 1,5 Millionen ihrer Wähler verloren. Er sei daher vom künftigen Erfolg seiner Neugründung überzeugt und nennt ein Ziel von 10% der Stimmen bei der Nationalratswahl im Jahr 2013.

In der anschließenden Debatte kommen einige im Referat nicht angesprochene Themen zur Sprache – so Fragen zu Einsparungsmöglichkeiten und Steuersystem. Zum ersten Punkt werden leider nur wenig konkrete Vorstellungen präsentiert – etwa zur „Durchforstung des Förderwesens“. Was das Steuersystem angeht: die Neos wollen am Modell einer progressiven Einkommensteuer unbedingt festhalten, den Eingangssatz allerdings absenken. Ein progressiver Tarif sei mit dem angestrebten Ziel der „sozialen Gerechtigkeit(sic!) argumentierbar.

Was die aktuellen Finanz- und Transferprobleme der Eurozone angeht, kritisiert Strolz den „Bruch von Verträgen“ [z. B. „Maastricht“, Anm.]. Es müsse möglich sein, sich auf europäischer Ebene auf Regeln zu verständigen und die anschließend auch einzuhalten. Insgesamt sei „Pragmatismus gefragt“. Das „too big to fail“ - Dogma unterminiere das System. Daher bedürfe es u. a. dringend eines Bankeninsolvenzrechts.

Er sei für den „gläsernen Steuerbürger“, der nichts zu verbergen habe.

Mit dem LIF und den Julis gäbe es enge Kontakte – „wir haben das Gefühl, zusammenzugehören.“

In der Pensionsfrage stehe man auf dem Boden des von Bernd Marin ausgearbeiteten „Flexi-Modells“ [ein umlagebasiertes System, das den Versicherten weitgehende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Zeitpunkts des Pensionsantritts einräumt, Anm.]. Im Gesundheitsbereich bestünde großes Einsparungspotential, wenn man die derzeit den Ländern zufallenden Agenden auf der Bundesebene konzentriere. Die vielen Sozialversicherungsanstalten seien zusammenzulegen, Kostenselbstbehalte einzuführen und der Präventionsgedanke zu forcieren.

Die Bekenntnisse zu Subsidiarität und Europäischem Bundesstaat stellten keine Widersprüche dar. Eine Rückkehr zu „nationalen Nussschalen“ sei für ihn undenkbar. Als Beispiele für auf europäischer Ebene zu verantwortende Politikfelder nannte Strolz Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik.

Fazit: Rosarot als Farbe dieser Neugründung passt perfekt. Wie einer der Debattenredner es ausdrückte, erscheint das Programm der Neos als eine bunte Mischung aus ÖVP light, LIF und ökosozialer Marktwirtschaft. Nichts Neues unter der Sonne also. Daß zu einer Zeit, da der Staat soviel Geld aus seinen Insassen herauspresst wie niemals zuvor, einer Parteineugründung tatsächlich nichts Besseres einfällt, als für die Einführung einer neuen Steuer zu plädieren, ist – aus Sicht der schwer geprügelten Mittelschicht, an die sich das Angebot der Neos ja schließlich richtet – nur schwer zu verstehen.

So sehr das persönliche Engagement des Parteichefs imponiert - immerhin nimmt er damit, anders als karenzierte Beamte, Gewerkschafter oder Kämmerer in den „Altparteien“ – ein beachtliches persönliches Risiko auf sich, so fraglich ist es, ob er politisch heimatlos gewordenen Bürgerlichen mit den Neos tatsächlich eine wählbare Alternative bieten kann. Alles genauso wie die anderen machen zu wollen – nur halt etwas besser – ist möglicherweise nicht der Weisheit letzter Schluß. Schade.

von Andreas Tögel