Schattenwirtschaft: Fluch oder Segen für die legale Volkswirtschaft?

Drucken

Will man die Frage nach der Bedeutung der Schattenwirtschaft für die legale Wirtschaft beantworten, dann ist es zunächst notwendig exakt festzulegen, was man unter Schattenwirtschaft eigentlich versteht. Denn je nach dem Begriffsinhalt, den man mit dem Wort Schattenwirtschaft verbindet, ist diese Schattenwirtschaft eine Gefahr, eine Bedrohung, also ein Störfaktor für die offizielle Wirtschaft – ganz unabhängig davon , ob es sich dabei um kriminelle, strafbare Aktivitäten handelt oder nur um moralisch nicht vertretbare – oder aber auch ein teilweise sehr wertvoller Bestandteil und eine wünschenswerte Ergänzung der legalen Wirtschaft.

Da man heute die Schattenwirtschaft, ohne näher darauf einzugehen, was man eigentlich unter diesem Betriff versteht, immer nur als etwas Unerwünschtes, Schädliches und deshalb zu Bekämpfendes betrachtet, möchte ich hier zunächst eben einmal darauf hinweisen, dass diese negative Bewertung der Schattenwirtschaft nur dann berechtigt ist, wenn man unter dem Begriff der Schattenwirtschaft nur deren schädliche Wirkung auf die Volkswirtschaft versteht und die positive überhaupt nicht berücksichtigt.

Ich meine deshalb, man sollte unter dem Begriff Schattenwirtschaft alle Prozesse in der "Gesamtwirtschaft" verstehen, die von keiner Behörde und von keinem Amt erfasst werden und damit auch keiner Kontrolle unterliegen. Die Gesamtwirtschaft besteht dann aus der legalen Volkswirtschaft und der Schattenwirtschaft, deren Umfang durch die Behörden nicht erfasst wird und deshalb auch nur schwer indirekt abgeschätzt werden kann, wobei diese beiden Wirtschaftsprozesse aber nicht unabhängig voneinander sind, sondern sich gegenseitig beeinflussen.

Es erscheint zweckmäßig die vielen wirtschaftlichen Tätigkeiten, die von keiner Statistik erfasst werden, in drei Gruppen zusammenzufassen:

In solche, die weder moralisch vertretbar noch gesetzlich erlaubt sind, in solche, die zwar illegal, aber in vielen Fällen durchaus moralisch vertretbar sind und solche, die sowohl moralisch vertretbar als auch gesetzlich zulässig sind.

Der bei dieser Betrachtungsweise verwendete Begriff der Schattenwirtschaft umfasst dann nicht nur die für die legale Wirtschaft schädlichen Sparten dieser Untergrundwirtschaft, sondern auch eine Menge von für die Volkswirtschaft wichtigen, wünschenswerten Zweigen, deren Bedeutung heute wohl zweifellos immer mehr zunimmt.

Die Zusammenfassung der legalen Wirtschaft mit diesen wünschenswerten Sparten der Schattenwirtschaft, möchte ich im Folgenden mit "Dualwirtschaft" bezeichnen, die ich als in der Zukunft anzustrebende Form einer gesunden Wirtschaft betrachte.

Der Hauptanteil der, der Volkswirtschaft dienlichen Schattenwirtschaft, ist die "Selbstwirtschaft". Diese besteht aus Nachbarschaftshilfe, Selbsthilfegruppen, Haushaltsarbeit, Do-it-yourself (Möbelanfertigung, Autoreparatur, Tapezieren, Anstriche, etc.), Gartenarbeit einschließlich Obst- und Gemüseproduktion, Kleintierzucht, erlaubter Handel mit Autos, Antiquitäten, Bildern und Kunstwerken, usw.

Im Folgenden sei noch etwas näher definiert, was unter den 3 Begriffen "Schattenwirtschaft", "Selbstwirtschaft" und " Dualwirtschaft" zu verstehen sein sollte.

Umfang der Schattenwirtschaft

Es erscheint zweckmäßig die vielen wirtschaftlichen Tätigkeiten, die von keiner Statistik erfasst werden, in drei Gruppen zusammenzufassen:

In solche, die weder moralisch vertretbar noch gesetzlich erlaubt sind, in solche, die zwar illegal, aber in vielen Fällen durchaus moralisch vertretbar sind und solche, die sowohl moralisch vertretbar als auch gesetzlich zulässig sind.

Zu den Tätigkeiten in diesen drei Gruppen sind etwa die folgenden zu zählen:

  1. Kriminelle Tätigkeiten mit ausschließlich negativer Auswirkung auf die   Gesamtwirtschaft:

    • Rauschgifthandel (die Umsätze übertreffen die des Automobilhandels in den USA, allein der Kokainumsatz beträgt zur Zeit 100 Mrd. $)
    • illegaler Waffenhandel und Waffenschmuggel
    • Mädchenhandel und Prostitution ( die Einnahmen der Liebesdienerinnen gehören, trotzdem sie offiziell steuerpflichtig sind, praktisch zum steuerfreien Markt, weil nur etwa 15% der Dirnen offiziell registriert sind. Nach Berichten der EU-Kommission machen die Mädchenhändler in Europa einen Gewinn von 107 Mrd. $ im Jahr. Nach einem Artikel in NEWS (12/2002) gibt es in Österreich 15.000 Prostituierte, von denen aber nur 2300 registriert sind. Das Honorar für einen Liebesdienst liegt je nach Qualifikation der Dame zwischen 100 und 400 EUR, im Mittel bei 220 EUR. Und jede Dirne hat durchschnittlich täglich 3 Freier. Das ergibt einen Jahresumsatz von 2 Mrd. EUR. (15.000x3x220 = 10.000.000 EUR/Tag x 200, wenn man annimmt, dass durchschnittlich nur an 200 Tagen im Jahr gearbeitet wird.) In Wien gibt es 5000 Dirnen, die somit 660.000.000 EUR umsetzen. Von diesen Gesamteinnahmen erhalten die Dirnen natürlich nur etwa 30%, den Rest die Zuhälter, Mädchenhändler und Bordellbesitzer. Aber für die Bedeutung des Faktors Prostitution als Teil der Schattenwirtschaft steht eben doch der beachtliche Betrag von ca. 2 Mrd. EUR)
    • Menschenhandel mit Arbeitskräften ( Transfergebühr pro Kopf 5000 EUR, anschließend 10% Tangente an die Menschenhändler, solange "Schwarzlohn" bezogen wird)
    • Bankraub, Kidnapping und Lösegelderpressung
    • Erpressung und Schutzgeldforderungen
    • Diebstahl und Hehlerei ( allein der Autodiebstahl in Italien beträgt 1 Mrd. EUR/Jahr, in Deutschland 250 Mill. EUR/Jahr)
    • Betrug, vornehmlich mit Vermögensanlagen, Verkauf von Scheinwaren (Messing statt Gold, Wasser mit Zucker als Wein, usw.), Computerbetrug
    • Korruption und Bestechung

  2.      Aktivitäten mit teils negativen und teils positiven Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft:

    Sie bestehen im wesentlichen in Steuerhinterziehung und sind deshalb auch gesetzlich verboten, obwohl sie in vielen Fällen trotzdem moralisch vertretbar wären. Zu dieser Sparte der Schattenwirtschaft gehören alle Arbeiten und Dienstleistungen ohne Rechnungslegung, von Handwerkern, Ärzten, Rechtsanwälten,

    Nachhilfelehrern, Sachverständigen, Steuerberatern, Bauarbeitern oder jede nur getarnte Nachbarschaftshilfe. Weiters gehören zu dieser Gruppe illegale Provisionen, sowohl legaler wie illegaler Handelsgeschäfte und der Schwarzhandel, soweit es sich nicht um den Vertrieb gestohlener Waren handelt, der natürlich nie moralisch vertretbar ist.

    Als positive Auswirkung dieser verbotenen, aber moralisch oft durchaus vertretbaren Tätigkeiten, auf die Volkswirtschaft können nur folgende Argumente betrachtet werden: Viele Wertschöpfungen, die zur Steigerung des Vermögens jedes Einzelnen und damit des Volksvermögens beitragen, wären ohne Beiträge aus der Schattenwirtschaft gar nicht finanzierbar und daher unmöglich. Die Mehrzahl der kleinen Eigenheime wäre ohne gesetzlich zulässige oder erweiterte Nachbarschaftshilfe nicht entstanden, und besonders bei Firmengründungen ist oft auf die Hilfe der Schattenwirtschaft nicht zu verzichten.

    Vor allem aber aus sozialen Gründen ist eine Tätigkeit als Schwarzarbeiter der eines Arbeitslosen vorzuziehen und mit Rücksicht auf die Erhaltung, Erweiterung und Entfaltung von Fertigkeiten zu begrüßen. Der Schwarzarbeiter lernt auch während seiner illegalen Tätigkeit immer etwas Neues hinzu, oft mehr als während seiner offiziellen Tätigkeit, er kann über seine Zeit frei verfügen und oft effizienter und produktiver tätig sein als während seiner "unselbständigen" Tätigkeit.

  3. Legale Tätigkeiten mit nur positiver Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft und auf den Lebensstandard  der Bevölkerung:


Die obige Aufstellung entspricht etwa einer Reihung unter Berücksichtigen des Strafausmaßes, das in unserer Gesellschaft für illegale Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft festgelegt ist, von der schweren kriminellen Tätigkeit, über die teilweise auch geduldete Schwarzarbeit bis zu den gesetzlich erlaubten Tätigkeiten, der Selbstwirtschaft.

Je nachdem, ob die in der Schattenwirtschaft Tätigen überhaupt keiner statistisch erfassten Tätigkeit nachgehen, neben einer offiziellen Tätigkeit auch eine statistisch nicht erfasste ausüben und je nachdem, ob sie zu der inoffiziellen Tätigkeit nur ihre Arbeitskraft oder auch Hilfsmittel einsetzen, die öffentliches Eigentum oder Fremdeigentum sind, unterscheidet man auch zwischen schwarzer, grauer und linker Tätigkeit.

Schwarzer Markt, grauer Markt und linker Markt

Zum schwarzen Markt wird die Tätigkeit der Kriminellen und der Arbeitslosen, die keiner offiziellen Tätigkeit nachgehen, gerechnet.

Zur Grauzone gehören alle im Untergrund Tätigen, die neben einer offiziellen auch eine inoffizielle Tätigkeit ausüben, wie Handwerker, die auch hauptberuflich tätig sind, Ärzte, Rechtsanwälte und Hauslehrer, die neben der offiziellen Tätigkeit auch Dienste gegen Bezahlung, aber ohne Rechnungslegung, leisten.

Von einer linken Tätigkeit spricht man schließlich, wenn zu der schwarzen oder grauen Tätigkeit auch Hilfsmittel, wie Werkzeuge, Maschinen, Fahrzeuge oder Dienstleistungen Dritter verwendet werden, die nicht Eigentum des linken Arbeiters sind und für die er auch keine Miete oder Entschädigung bezahlt. Bei der linken Tätigkeit, die moralisch wohl niemals zu vertreten ist, kann man aber trotzdem noch zwischen einer legalen und einer illegalen Tätigkeit unterscheiden.

Ein Primarius, der Privatpatienten behandelt und dabei alle teuren medizinischen Geräte eines öffentlichen Krankenhauses verwendet und auch noch die Dienste des Krankenhauspersonals in Anspruch nimmt, ist auf alle Fälle ein linker Arbeiter. Wenn er eine Rechnung legt, ein, in unserer in dieser Beziehung sicher unmoralischen Gesellschaftsordnung, legaler Linker, wenn er keine Rechnung legt, ein illegaler.

Denn mit genau demselben Recht könnten ja Arbeiter in einer Fabrik nach Betriebsschluss Traktoren in ihrer Freizeit herstellen, das Rohmaterial dem Betrieb vergüten und die Traktoren in Eigenregie verkaufen. Aber so absurd wie es auf den ersten Blick scheint, ist diese Analogie gar nicht:

In China wird dieses zweifellos leistungsfördernde Prinzip, bei dem Betriebsangehörige in der Freizeit im Betrieb erzeugte Waren in Eigenregie auf dem freien Markt verkaufen, wenn sie das verwendete Rohmaterial bezahlen, zur Zeit befürwortet und erprobt.

Dieser linke Markt wird also in den Marktwirtschaftsländern bei der Produktion von Waren nicht geduldet und spielt – abgesehen vom oben erwähnten Beispiel der Dienstleistungen von Primarärzten, die stillschweigend akzeptiert wird – kaum eine Rolle. In kommunistischen Ländern dagegen, wie im seinerzeitigen kommunistischen Ungarn und heute noch in China, gilt sie als legal, obwohl sie doch sicher auch dem klassischen System der Planwirtschaft in keiner Weise entspricht.

Aber auch wenn sich dieses neue System zu leistungsgerechten Entlohnung in kommunistischen Ländern gut bewähren sollte, ist die liberale Marktwirtschaft wahrscheinlich doch das beste Wirtschaftssystem zur optimalen Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen. In einer gesunden Marktwirtschaft, die nicht durch bürokratische Barrikaden und untragbar hohe Steuern belastet wird, besteht ja gar kein Anreiz dazu, diese Hindernisse im Untergrund zu umgehen, weil sich auf dem offiziellen Markt viel bessere


Entwicklungschancen bieten als in der Schattenwirtschaft, die immer mit der Akzeptanz nennenswerter Risken verbunden ist. Denn die Ursachen der Schattenwirtschaft sind ja nur die zu hohen direkten Steuern und die bürokratischen Barrieren in der offiziellen Wirtschaft.

Anstatt diese Ursachen zu beseitigen, wird heute nur von allen "Geschädigten" überlegt, wie man die Schattenwirtschaft durch immer neue Maßnahmen und neue Gesetze bekämpfen könnte. Und die vielen Organisationen, die so unisono gegen die Schattenwirtschaft kämpfen zu müssen glauben, sind:

Durch dieses Lager der vereinigten Streitkräfte gegen die Schattenwirtschaft wird aber die Ursache der Untergrundwirtschaft nicht beseitigt, im Gegenteil, der Unterschied zwischen den niedrigen Kosten in der Schattenwirtschaft und den hohen Kosten in der legalen Wirtschaft wird noch vergrößert. Und dadurch wird die Entfaltung der illegalen Tätigkeiten noch weiter angeheizt.

Schon Hayek hat darauf hingewiesen, dass die Zunahme der Schattenwirtschaft nur eine selbstverständliche Folge der Fehlentwicklung in der offiziellen Wirtschaft zu immer höheren Steuerbelastungen, zu immer mehr Bürokratie und Staatseinfluss ist. Und dass deshalb eine Bekämpfung durch noch mehr Bürokratie meist sinnlos ist, weil gerade diese Bürokratie die Entfaltung der Untergrundwirtschaft fördert.

Deshalb waren und sind auch in den Ländern mit Planwirtschaft, in denen der Schwarzhandel mit der Todesstrafe bestraft wird, die Umsätze auf den illegalen Märkten größer als die der offiziellen Planwirtschaft. Und ebenso wie innerhalb der schlecht funktionierenden Planwirtschaft die Schatten-Marktwirtschaft, in der sich ein Risiko noch lohnt, gut funktioniert, weil es dort auch keine hemmende Bürokratie gibt, entwickelt sich eine zunehmende Schatten-Marktwirtschaft nun auch in der übersozialen Marktwirtschaft.

Diese Entwicklung ist weder durch bürokratische Gesetze noch durch höhere Strafen zu bremsen, sondern nur durch einen radikalen Trendwechsel von der fortschreitenden Nivellierung, Bürokratisierung und Leistungsverhöhnung zu einem System in dem Fleiß, Lernbereitschaft, Mut zum Risiko und Arbeitsmoral wieder anerkannt werden.

Dieser Kurswechsel müsste sowohl durch eine entsprechende Aufwertung des ideologischen und moralischen Stellenwertes der Risikobereitschaft und des Leistungswillens als auch durch eine der Leistung entsprechende Bezahlung erfolgen, die Qualität, Quantität aber auch den tatsächlich erzielten Erfolg einer Tätigkeit berücksichtigt.

Vorläufig werden diese Forderungen aber vornehmlich nur in der Schattenwirtschaft erfüllt.

Auch nach Milton Friedmann ist die Schattenwirtschaft nur ein Beweis für die Kraft des "gesunden Marktes", der sich so oder so durchsetzt:

"Eine gesunde Reaktion auf zu hohe Steuern, zu weit gehende staatliche Eingriffe, in die Wirtschaft, die einzige Chance zur Milderung der Misswirtschaft, die durch eine falsche Wirtschaftspolitik der Regierung verursacht wurde."

Und auch Hankel verlangt wohl mehr aus moralischen als aus wirtschaftlichen Gründen eine Änderung der, durch die Realität bereits überrollten Gewerbeordnung und kontraproduktiven Steuergesetze:

"Wenn immer größere Anteile von Wertschöpfung, Beschäftigung und Sachkapitalfinanzierung außerhalb des tradierten Ordnungsrahmens der legal verfassten Wirtschaft entstehen, als es nach der gesetzten Ordnung sein darf, muss sich diese Ordnung die Frage gefallen lassen, ob sie dann noch stimmt. Insbesondere dann, wenn ihre Selbstschutzmaßnahmen das Übel, das zu bekämpfen ist, nämlich die Schwarzverwertung der in ihrem Verfassungsrahmen überflüssig gewordenen menschlichen Arbeitskraft, nicht vermindern, sondern vergrößern. Akzeptiert man das Grundrecht der freien Arbeit und Selbstbestimmung jedes Humankapitaleigners, wo, wie und wie lange er seine ihm angeborenen und erworbenen Fähigkeiten verwenden und vermarkten will, dann steht dieses Grundrecht über den Organisationsrechten einzelner Gruppen und Interessenten."

Ursachen für die Zunahme der Schattenwirtschaft

  1. Durch zu hohe Steuern und zu viel Bürokratie wird der Preisunterschied zwischen den in der Selbstwirtschaft und in der Schattenwirtschaft erzeugten Waren und den in der offiziellen Wirtschaft erzeugten immer größer. Aber in der Selbstwirtschaft und in der illegalen Schattenwirtschaft gibt des keine Steuern, keine Lohnnebenkosten; Sekretärinnen, Buchhalter, Steuerberater sind überflüssig und die Verwaltung nahezu kostenlos. Fixkosten für Immobilien, Maschinen und Fahrzeuge sind minimal oder fallen vollkommen fort, wenn die Arbeiten in fremden Räumen verrichtet werden und Maschinen und Fahrzeuge verwendet werden, deren Kosten ein etabliertes Unternehmen trägt. Dazu kommt noch, dass der Schwarzarbeiter oft im Akkord schneller, fleißiger und mit mehr Interesse arbeitet, weil er leistungsgerecht bezahlt wird. Auch auf dem Dienstleistungssektor wird die Differenz zwischen den Kosten, die für die Verrichtung einer Arbeit durch Professionisten zu entrichten ist, und den Kosten, die bei Verrichtung in der Selbstversorgung anfallen oder an Schwarzarbeiter zu bezahlen sind, immer größer.

  2. Durch die zunehmende Arbeitslosigkeit und die abnehmende Arbeitszeit der Beschäftigten stehen der Schattenwirtschaft immer mehr und billigere Arbeitskräfte zur Verfügung. In der Zeit von 1970 bis 2000 sank in Deutschland die Arbeitszeit von 45 auf 38 Stunden, die Zahl der Arbeitslosen stieg von 200.000 auf 4 Millionen.

  3. Die Freizeit diente bisher nur der Erholung nach der Tätigkeit in der offiziellen Wirtschaft. Heute wird die Freizeit aber in zunehmendem Maße zur Arbeitszeit für Tätigkeiten nach eigener Vorstellung, die

    nun sowohl in der Selbstwirtschaft als auch in anderen Sparten der Schattenwirtschaft zur Befriedigung weiterer Bedürfnisse beitragen.

  4. Die mit der immer weitergehenden Arbeitsteilung verbundene Zunahme der Entfremdung von der Arbeit, die durch die Trennung von schöpferischer Arbeit und Routinearbeit noch begünstigt wird, führt zu einer Verschlechterung der Arbeitsmoral und zu einer Entwertung der Bedeutung von Arbeitsplatz und Position. Diese sind nicht mehr die erstrebenswertesten Ziele in der Gesellschaft unserer Zeit, sondern Selbstverwirklichung und Sinnerfüllung zählen heute zu den höher bewerteten Zielen. Die Bedeutung der Stellung im Beruf hat an Gewicht verloren und verliert immer mehr. Der Mangel an Arbeitsfreude im professionellen Bereich und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung im Rahmen der Selbstversorgung sind deshalb noch stärkere Triebkräfte zur Verlagerung der schöpferischen Kräfte vom professionellen Sektor zum inoffiziellen, als die rein ökonomischen Überlegungen.

  5. Denn die offizielle Wirtschaft verlangt trotz noch soviel zunehmender Mitbestimmung unweigerlich eine Unterwerfung der Mitarbeiter unter eine Organisation des Betriebes, des Kapitalgebers und Eigentümers, ganz unabhängig davon, ob der Staat, ein multinationaler Konzern oder ein privater Unternehmer der Eigentümer des Betriebes ist. Die inoffizielle Wirtschaft, mit ihren kleinräumigen Organisationen oder Einmannbetrieben, ist in Bezug auf die Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und zur Ausführung der Arbeit nach eigenen Richtlinien ohne Obrigkeit immer überlegen.

  6. Schließlich ergeben sich immer wieder Marktlücken, die von der offiziellen Wirtschaft nicht rasch genug erkannt werden und die dann im Bereich der Selbstversorgung oder durch die inoffizielle Wirtschaft gefüllt werden.


Selbstwirtschaft und Dualwirtschaft

Die Geschichte der Industrialisierung war bisher ein ständiger Rückgang des Anteils der Selbstversorgung und eine Zunahme der Arbeitsteilung, die wieder nur durch eine ständige Zunahme des monetären Anteils in der gesamten Wirtschaft überhaupt möglich war.

Aus dieser Tendenz in der bisherigen Vergangenheit schließen nun Politiker und Wirtschaftsexperten, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird und dass der nicht professionelle Teil bald überhaupt aussterben wird. Deshalb glauben sie auch schon heute die spärlichen Reste des Anteils der Selbstversorgung in der Gesamtwirtschaft vernachlässigen zu können. Das ist aber keinesfalls berechtigt. Im Gegenteil, wir stehen auch hier, wie auf vielen anderen Gebieten der kulturellen Entwicklung in der Industriegesellschaft, an einem Wendepunkt, an dem der professionelle Teil der Wirtschaft wieder an Bedeutung zu verlieren beginnt, und an dem der Anteil an Selbstversorgung wieder im Rahmen einer Dualwirtschaft an Bedeutung zu gewinnen beginnt.

Wie auf vielen anderen Gebieten, in denen Hochrechnungen zu falschen Voraussagen über die Zukunft führen, wird offensichtlich übersehen, dass sich fast jeder Trend von einem bestimmten Wendepunkt an, nicht mehr fortsetzt, sondern in einen neuen Trend mit entgegengesetzter Richtung verwandelt.

Fast alle falschen Voraussagen beruhen auf solchen "linearen Extrapolationen", bei denen angenommen wird, dass sich alle Einflussgrößen auf eine Entwicklung in der Zukunft so verhalten werden, wie in der Vergangenheit und in der Gegenwart. In der Hochrechnung für die Zukunft werden in der Gegenwart die Tangenten an die Kurven des zeitlichen Verlaufes verschiedener Einflussgrößen gelegt, ohne die Möglichkeit oder sogar die Wahrscheinlichkeit eines Trendwechsels zu berücksichtigen.

Diese Erkenntnis gilt auch für den Trendwechsel von der bisherigen Entwicklung der Expertengesellschaft zur zunehmenden Selbstversorgung, der jedoch nicht nur zu erwarten ist, sondern sich schon deutlich bemerkbar macht. Seit einigen Jahren ist jedenfalls eine deutliche Trendwende von der Entwicklung zur Expertengesellschaft zur Selbstversorgung festzustellen. Dieser unverkennbare Trend von der schrumpfenden zu der expandierenden Selbstwirtschaft in unserer heutigen Zeit ist auf einige der Ursachen zurückzuführen, die auch zur Zunahme der Schattenwirtschaft führen, wie:

Der zunehmende Preisunterschied von Waren und Dienstleistungen in der offiziellen Wirtschaft und in der Selbst- bzw. Schattenwirtschaft.

Die zunehmende Freizeit durch kürzere Arbeitszeit, mehr Urlaub und mehr Arbeitslose.

Die Möglichkeit zu besserer Selbstverwirklichung und Vermeidung der Entfremdung von der Arbeit durch die Tätigkeit in der Selbstwirtschaft.

Aber auch innerhalb der legalen monetären Volkswirtschaft tritt bereits eine Verschiebung zur legalen Selbstversorgung ein, die sich zwangsweise durch die steigenden Kosten der Arbeit ergibt.

Die Selbstbedienung in Restaurants und Warenhäusern, die Selbstabholung, das Selbsttanken und schließlich die Computerkassen sind schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Fahrkartenautomat ersetzt den Schaffner und der Bankomat den Bankbeamten. Die Selbstbedienung der Waschmaschinen in den Wäschereien ersetzt die Wäscherin und der Leihlastwagen den Spediteur. Und schließlich liefert die Industrie auch Maschinen und Werkzeuge in Massenproduktion, die nur der Selbstversorgung dienen: Waschmaschinen, Küchenmaschinen und Staubsauger für den Haushalt, Rasenmäher für den Garten und Do-it-yourself-Werkzeuge für den Bastler.

Die Verschiebung der Tätigkeiten von der monetären Wirtschaft zur Selbstwirtschaft des Privatmannes ist somit schon seit vielen Jahren zu erkennen. So wurden in den USA noch vor 20 Jahren 30% aller Elektrowerkzeuge auf dem Do-it-yourself-Sektor an Heimwerker, aber 70% an Handwerker verkauft, während das heute genau umgekehrt ist.

Die Selbstwirtschaft, deren Leistung durch keine staatliche Statistik erfasst wird, und die monetäre Wirtschaft, deren Leistung im BIP systematisch erfasst und verfolgt wird, ergänzen sich dabei heute ebenso wie in den vorindustriellen Wirtschaftsformen, bei denen auch der Schwerpunkt der Volkswirtschaft in der Selbstwirtschaft lag.


Heute herrscht allerdings in der Öffentlichkeit immer noch die falsche Auffassung, dass das BIP ausschließlich das Ergebnis aller Tätigkeiten der monetären Volkswirtschaft wäre. Diese Auffassung ist aber sicher nicht aufrecht zu erhalten, weil die Summe der Werte, die durch private Tätigkeiten geschaffen werden, nicht mehr vernachlässigt werden kann.

Die unverkennbare Verschiebung von der monetären Volkswirtschaft zur Selbstwirtschaft erfolgt umso schneller, je geringer der Nutzen für den Einzelnen wird, der sich noch der Volkswirtschaft bedient. Sobald die Volkswirtschaft im Vergleich zur Selbstwirtschaft dem Einzelnen keine Vorteil mehr bieten kann, wird er die Volkswirtschaft überhaupt nicht mehr in Anspruch nehmen. Dabei sind natürlich für die Entscheidung zwischen Volkswirtschaft und Selbstwirtschaft in erster Linie die Fähigkeiten des Einzelnen maßgebend. Experten mit entsprechendem Erfolg im Beruf, werden die Volkswirtschaft vorziehen. Handwerker mit entsprechender Geschicklichkeit und Anpassungsfähigkeit dagegen, werden die Selbstwirtschaft vorziehen. Die entscheidende Frage ist somit nur: erledigt der Fachmann oder die Industrie mit all ihren Maschinen und Vorrichtungen eine Aufgabe besser, schneller oder billiger als der Konsument selbst?

Bei der Prüfung dieser Frage müssen natürlich alle Mehrkosten berücksichtigt werden, die der Fachmann zu tragen hat und die sich der Konsument in der Selbstwirtschaft erspart. Wie die Kosten der Steuern, Lohn- und Lohnnebenkosten, Zuschläge für Hilfsarbeiter, die in der Selbstwirtschaft meist wegfallen, die Kosten für Anfahrt und Abfahrt bei Arbeiten außer Haus, kurz eben alle Unkosten des Unternehmens. Wegen all dieser Nebenkosten wird die Selbstversorgung oft auch dann vorgezogen werden, wenn die Arbeitszeit zur Verrichtung einer bestimmten Leistung in der Selbstwirtschaft wesentlich länger ist, als in der Volkswirtschaft. Die Selbstwirtschaft ist auch überall dort überlegen, wo es sich um die individuelle Verwendung serienmäßig erzeugter Produkte handelt. Dadurch ergeben sich aber auch in der Industrie Innovationsmöglichkeiten für neue Produkte, deren Serienproduktion erst durch den Absatz in der Selbstwirtschaft möglich wird. Nicht nur Waschmaschinen, Küchenmaschinen und Do-it-yourself-Werkzeuge, sondern auch Videorecorder, Bildschirmadapter sowie Normbauteile für Selbstbaumöbel sind nur einige wenige Beispiele für Produkte, deren serienmäßige Produktion in der Industrie erst durch die Expansion der Selbstwirtschaft möglich wurde.

Bei vielen Gütern kommt es dabei in der Produktion zu einer Aufteilung der Arbeitszeit zwischen Volkswirtschaft und Selbstwirtschaft. In der ersten Phase erfolgt die Produktion von Normteilen in der Industrie und in der zweiten Phase erfolgt die "Montage in der Selbstwirtschaft".

Ebenso wie die Selbstwirtschaft und die gesamte Schattenwirtschaft nimmt auch dieser zweite Anteil der Produktion mit zunehmender Freizeit durch abnehmende Arbeitszeit in der legalen Wirtschaft zu.

Die Verschiebung von der Arbeitszeit in der Volkswirtschaft zur Arbeitszeit in der Selbstwirtschaft ist aber auch durch das zunehmende Bedürfnis der Bevölkerung nach Selbstverwirklichung zu erklären, die im Rahmen der Selbstwirtschaft besser befriedigt wird als in der offiziellen Volkswirtschaft.

Verstand man früher unter "Beruf" die Berufung für eine bestimmte Aufgabe in der Gesellschaft, mit der sich die Vorstellung verband, dass der Berufene in der Erfüllung seiner Aufgabe seinen Lebensinhalt findet, so tritt heute als Lebensinhalt an die Stelle des Berufes die Selbstverwirklichung und Sinnerfüllung. Die Stellung im Beruf verliert damit auch an Bedeutung und Prestige in der Gesellschaft.

Aber auch wenn vieles darauf hindeutet, dass die Bedeutung der Selbstwirtschaft in der Zukunft noch sehr zunehmen wird, so ist es auch sicher nicht gerechtfertigt anzunehmen, dass die Selbstwirtschaft allein als Alternative zur derzeitigen industriellen Wirtschaft überhaupt in Frage käme.

Viele schwärmerische Vertreter einer solchen alternativen Ökonomie zur technokratischen hochindustrialisierten Ökonomie übersehen, dass alle bisherigen Formen der Selbstversorgung und Eigenarbeit sowie der Kleinproduktionen auf der Lieferung von Rohstoffen, Werkzeugen, Maschinen und Energie aus der industriellen Produktion basieren.

Deshalb erscheint es heute und in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten unsinnig über ein "entweder-oder" zwischen industrieller Produktion und Selbstwirtschaft zu sprechen.

Aber ebenso wäre auch eine Wirtschaftspolitik ohne Berücksichtigung der Beiträge der Selbstwirtschaft zur Gesamtwirtschaft irreal.

Vor allem deshalb, weil die Selbstwirtschaft neben ihren ökonomischen Aufgaben, als Produzent von Gütern und als Anbieter von Dienstleistungen, die die offizielle Wirtschaft nicht oder nicht preiswert anzubieten in der Lage ist, auch soziale und kulturelle Aufgaben erfüllt, die für die Gesellschaft heute von zunehmender Bedeutung sind. Ihre Beiträge zur Humanisierung der Arbeitswelt werden von der Gesellschaft geschätzt und sind somit ein Beitrag zur Arbeitskultur.

Außerdem bedeutet jede Selbstversorgung und Nachbarschaftshilfe eine Verringerung der Abhängigkeit von öffentlichen Leistungen. Das Do-it-yourself hat eine enorme ganz neue Industrie ins Leben gerufen. Sie besteht aus den Erzeugern von Do-it-yourself-Werkzeugen wie Bosch, Black & Decker, Wolff, usw. und aus der Industrie, die das Rohmaterial für Bau oder Möbel bereitstellt.

Ein weiteres bedeutendes Element der Selbstversorgung ist die Hausfrauenarbeit. Ihr Wert in Währungseinheiten wird meist mit einem vielfachen der Beträge angegeben, die der oder die Erwerbstätige überhaupt verdient. Denn ein Essen im Restaurant kostet etwa 5-10 mal soviel wie die Lebensmittel, die zu Zubereitung der Speisen zu Hause erforderlich sind. Berücksichtigt man noch die Kosten einer Bedienerin, deren Tätigkeit die Hausfrau verrichtet, dann ergibt die Hausfrauenarbeit leicht einen Anteil von 50% Schattenwirtschaft an der Gesamtwirtschaft.

Die Nachbarschaftshilfe, die früher nur am Land üblich war, wird heute in den Städten auch schon so organisiert, dass überhaupt kein Bargeld den Besitzer wechselt. Der Buchhalter macht die Buchhaltung des Automechanikers, der wiederum das Auto des Buchhalters repariert. Der Gärtner pflegt den Garten des Herrn


Auf ihm werden alle Umsätze getätigt, die ohne Gesetzesverletzung steuerfrei getätigt werden dürfen. Wenn alte Möbel, gebrauchte Fahrzeuge oder Werkzeuge aus dem Privatbesitz, oder sonstige Güter von einem Privaten an einen anderen verkauft werden, so sind diese Geschäfte meist steuerfrei.

Schließlich sollten auch die Selbsthilfeorganisationen, wie etwa die der Alkoholiker, der Schwergewichtigen, der Diabetiker und der Drogenabhängigen usw. als positive Elemente der Schattenwirtschaft gewertet werden. Sie entlasten die Krankenkassen und ersparen dem Gesundheitsdienst nennenswerte Kosten. Und sie machen aus Kranken ohne, oder mit minimalen, Kosten wieder gesunde Mitarbeiter der Volkswirtschaft.

Die Bedeutung der Selbstwirtschaft darf also keinesfalls unter den Teppich gekehrt werden. Weder ihre ökonomische Bedeutung im Rahmen der Gesamtwirtschaft noch ihre psychologische Bedeutung zur Befriedigung eines gesunden Triebes nach schöpferischer Tätigkeit kann heute noch geleugnet werden.

Wenn die Bürger feststellen, dass sie alle Aufgaben alleine unter sich viel besser, billiger und schneller, vor allem auch gerechter erledigen können, ohne die Hilfe des Staates und seiner bürokratischen Volkswirtschaft in Anspruch zu nehmen, dann wird diese Erkenntnis vielleicht auch dazu beitragen, dass sich in der staatlich kontrollierten Volkswirtschaft wieder ein neuer Trend zur Anerkennung der Leistung, eine Abkehr von der Bürokratie und eine Wende zur Risikobereitschaft durchsetzt, der dann das derzeitige Zeitalter der Leistungsverhöhnung beenden könnte.

Und wir dürfen deshalb auch den Möglichkeiten, die durch die Entwicklung der Dualwirtschaften für unsere Kultur eröffnet werden, auf keinen fall verschlossen gegenüberstehen. Das Zusammenwirken der Selbstwirtschaft mit der monetären Volkswirtschaft ist heute schon eine Tatsache, und wir müssen diese Zweiteilung anerkennen. Man sollte aber die legalen Zweige der Schattenwirtschaft von den illegalen und kriminellen trennen und den legalen Teil aus dem Bereich der Schattenwirtschaft ausklammern und in die offizielle Wirtschaft integrieren. Aus der heutigen offiziellen ausschließlich monetären Volkswirtschaft, die nur einen Teil der Gesamtwirtschaft erfasst, könnte dann eine "Dualwirtschaft" treten, die die derzeitigen Bedürfnisse der Menschen besser befriedigen würde als die heutige Wirtschaft, die alle Zweige der Schattenwirtschaft, auch die legalen und wohlstandsfördernden, außer Acht lässt. Die Eingliederung der Selbstwirtschaft in eine offizielle Dualwirtschaft würde sicher auch mehr als alle Gesetze und hohen Strafen sowie Kontrollen zur Bekämpfung der kriminellen und illegalen Zweige der Schattenwirtschaft beitragen.

Selbstverwirklichung durch bessere Verwertung aller Fähigkeiten in der "Selbstwirtschaft" und "Dualwirtschaft"

Es ist also nicht immer nur der steuerliche Vorteil, der sich nach Überschreiten des Scheitelpunktes in der Lafferkurve immer mehr bemerkbar macht, der zur Verschiebung des Schwerpunktes der Gesamtwirtschaft zur Schattenwirtschaft führt, sondern es sind auch oft arbeitspsychologische Momente, die das Wachstum der Schattenwirtschaft begünstigen. Monotonie im Arbeitsablauf, keine Möglichkeit zur Teilnahme an Entscheidungsprozessen, fehlendes Verständnis für die Bedeutung der eigenen Arbeit für das erzeugte Produkt, gewaltsame Trennung zwischen der Arbeit des Geistes und der Hand, sind negative Kennzeichen der zunehmenden Arbeitsteilung in der Industriegesellschaft.

Bei der Tätigkeit in kleinen überschaubaren Betreiben in der Schattenwirtschaft fällt diese Entfremdung oft fort, die Trennung zwischen Hand und Kopfarbeit ist weitgehend aufgehoben, oft kann die Arbeit in den eigenen 4 Wänden der Wohnung verrichtet werden und verliert schon dadurch den Aspekt der Entfremdung.

Nach der Auffassung des Soziologen Dahrendorf ist die Abwertung der legalen Erwerbsarbeit und die Aufwertung der Schwarzarbeit eine Folge des Bedürfnisses die fremdbestimmte, aus dem Gesamtzusammenhang herausgerissene Arbeit, gegen eine sinnvolle Tätigkeit auszutauschen.

Dahrendorf sieht also direkt in der Schwarzarbeit ein Signal für eine bessere Zukunft. Auch wenn man diesen Standpunkt nicht restlos teilt, muss man anerkennen, dass in der Schattenwirtschaft Werte geschaffen werden, die ohne Untergrundwirtschaft überhaupt nicht oder nur mit wesentlich höheren Kosten geschaffen werden könnten.

Viele Aussteiger aus der derzeitigen legalen Arbeitsgesellschaft beginnen erst nach Ergreifung eines ganz klar umrissenen Berufes in der Schattenwirtschaft zu lernen und sich im Untergrundberuf Kenntnisse anzueignen und zeigen damit auch einen Richtungswechsel für Bildung und Schule an, der von der etablierten Gesellschaft vorläufig nicht anerkannt wird.

Die Befürworter der "Dualwirtschaft " halten eine Spaltung der Gesellschaft in hoch spezialisierte Experten, die in der offiziellen Wirtschaft arbeiten und in ungeschulte Mitläufer, die in die Schattenwirtschaft abgedrängt werden für unvermeidlich. Letzteren bleibt dann keine andere Wahl, als sich durch Gelegenheitsarbeiten durchzuschlagen. Deshalb sollten möglichst viele Bürger nur einen Teil ihrer Arbeitszeit in der offiziellen Wirtschaft verbringen und einen restlichen Teil in der Freizeit, in der sie aber auch Arbeiten verrichten, die ihren eigenen Interessen oder der Gemeinschaft dienen. So meinen die Vertreter der Dualwirtschaft, könnte die Arbeitslosigkeit eingeschränkt und gleichzeitig vermieden werden, dass "menschliche" Arbeiten, die durch "Jedermann" besser und billiger verrichtet werden können, nur durch Experten verrichtet werden.

Die Schattenwirtschaft, das Fieberthermometer für den Gesundheitszustand der Gesamtwirtschaft

Betrachtet man die Schattenwirtschaft als Maßstab für den Gesundheitszustand einer Volkswirtschaft, so erkennt man, wie sie schon bei Beginn einer Krise an Bedeutung zunimmt und umgekehrt nach Gesundung der offiziellen Wirtschaft wieder an Bedeutung verliert.

Aber auch wenn man Länder, in denen die offizielle Wirtschaft besonders schlecht funktioniert, wie etwa die ehemalige UdSSR, Länder in denen die offizielle Wirtschaft relativ schlecht funktioniert, wie etwa Italien und Länder mit gesunder Wirtschaft, wie etwa die USA und die BRD, miteinander vergleicht, erkennt man, dass der


Umfang der Schattenwirtschaft umso größer ist, je schlechter die legale Wirtschaft funktioniert. Deshalb sollen zunächst die Vorgänge im Untergrund in den drei oben genannten Fällen etwas näher beleuchtet werden:

Der Anteil der Schattenwirtschaft beträgt in der UdSSR etwa 50%, in Italien etwa 30% und in Deutschland und den USA etwa 10-15%. Ohne Schattenwirtschaft wäre nicht nur das BIP in den Oststaaten wesentlich niedriger gewesen, sondern das gesamte Prinzip der Planwirtschaft hätte ohne illegale Hilfsdienste gar nicht existieren können.

Die offizielle Planwirtschaft braucht zur Erfüllung ihres Plansolls die freie Untergrundwirtschaft, den grauen und den schwarzen sowie den linken Markt. Diese Elemente der Schattenwirtschaft waren aus der Planwirtschaft nicht wegzudenken, trotzdem alle illegalen Tätigkeiten mit strengsten Strafen geahndet wurden. Seit 1983 wurden Anbieter auf dem schwarzen Markt mit 10 Jahren Haft im Konzentrationslager bestraft. Ein Fischereiminister, der Kaviar illegal in westliche Länder exportierte, wurde hingerichtet. Trotz dieser strengen Strafen war aber die Sowietwirtschaft ohne Unterstützung durch den verbotenen schwarzen Markt nicht in der Lage, auch nur den primitivsten und lebensnotwendigsten Bedarf der Bevölkerung zu decken. Und auch das reguläre Plansoll der Staatsbetriebe wäre nicht ohne Untergrundwirtschaft zu erfüllen gewesen. Die Betriebe hatten untereinander ein halblegales Austauschsystem entwickelt, das in Funktion tritt, sobald die planmäßige Versorgung mit Rohmaterial, Maschinen, Ersatzteilen und Zulieferungsprodukten versagte. Sobald sich Schwierigkeiten in der Zulieferung ergeben, sprang ein Vermittler, der sogenannte "Tolkatsch" ein, der Mittel und Wege fand, um die benötigten Produkte herbeizuschaffen. Tolkatsch heißt Stoßer, und die Tätigkeit dieses, im Grunde nach den Richtlinien eines freien Marktes arbeitenden Stoßers, bestand darin, unter Ausnützung aller nur irgend möglichen Mittel, die Versorgungsschwierigkeiten zu überbrücken. Meist bestand der erste Versuch zur Beschaffung der durch die Planwirtschaft nicht oder nicht rechtzeitig gelieferten Güter in einem Tauschhandel der im eigenen Betrieb erzeugten, oder wenn nötig erzeugbaren oder beschaffbaren Produkte, gegen die gesuchten Produkte. Deshalb war auch ein illegales Lager die erste Bedingung für das Funktionieren der Planwirtschaft.

War die Beschaffung durch Tauschhandel nicht möglich, musste ein größeres Risiko in Kauf genommen werden. Durch Bestechung ließ sich bei einiger Vorsicht sogar die Genehmigung zu einem Sondertransport per Flugzeug zur raschen Anlieferung der benötigten Güter beschaffen und ebenso eine Sonderverfügung, die die benötigten Waren einem anderen Bestimmungsort entzog. Dort musste ein anderer Tolkatsch dann sehen, wie er die nun an dieser anderen Stelle fehlenden Produkte wieder beschaffen konnte.

Aber auch für den Privatmann wurden von Staatsbeamten meist nur dann die offiziellen Dienste erbracht, wenn die Untertanen auch bereit waren, ein kleines Sonderhonorar zu bezahlen.

Begehrte Theaterkarten, ein Flugticket, eine Zulassung zum Studium, eine Zuweisung einer besseren Wohnung oder ein Bezugsschein für ein Auto war ohne diskrete Bestechung schwer zu erhalten. Am besten war die gewünschte Entscheidung des zuständigen Beamten nicht durch Geld, sondern auch durch Beschaffung einer Mangelware zu erreichen. Und was der Staat überhaupt nicht konnte, das schaffte der hervorragend organisierte Apparat der Schwarzhändler:

Gegen Dollar, die Währung des Untergrundes, beschafften Moskauer Schwarzhändler innerhalb weniger Minuten jedes begehrte Gut. Das Geschäft wurde allerdings meist besonders diskret abgewickelt. Ein möglicher Interessent für ein Schmuckstück wurde zuerst in einer harmlosen Diskussion abgetastet. Entpuppte er sich als potenter Käufer und als zuverlässig, verschwand der erste Kontaktmann um eine Straßenecke, wo ein anderer Mittelsmann erst die Ware bereit hatte, um das Geschäft zu realisieren. Riskantere Geschäfte, wie etwa der Verkauf von verbotenen Büchern oder von Waffen, wurden eher in einer Wohnung abgewickelt. Dabei wurde zuerst über eine Mittelsmann ein Deckname vereinbart, den der Interessent erst nennen musste, um in ein Geheimquartier Einlass zu finden.

Ähnlich wie in der Marktwirtschaft bei langen Lieferzeiten, waren gebrauchte Wagen in der UdSSR teurer als neue, da für 250 Einwohner nur ein Auto pro Jahr gebaut wurde, während in Deutschland zur gleichen Zeit für je 20 Einwohner ein Auto pro Jahr erzeugt wurde. Für den Erwerb eines Autos waren außerdem mehrere Anrechtscheine erforderlich, die nur unter bestimmten Bedingungen ausgegeben wurden, aber auch illegal erwerblich waren.

Oft wurden deshalb auch von Mitgliedern der oberen Klasse, der Nomenklatura, die bessere Möglichkeiten hatten, Bezugsrechte zu erwerben, Waren, die aufgrund einer politischen Bevorzugung erworben werden konnten, auf dem schwarzen Markt verkauft. Sogar Lastkraftwagen für Betriebe wurden illegal gehandelt. Tausende von Verkaufstalenten, Vermittlern und Maklern mit entsprechender Erfahrung im Aufspüren von Marktlücken und illegalen Möglichkeiten zur Befriedigung des Bedarfs im Privatsektor und in der Planwirtschaft waren so im Untergrund tätig und weit leistungsfähiger als der Handelsapparat des Staates, der nicht einmal die elementarsten Bedürfnisse der Bürger zu befriedigen in der Lage war.

Die Bedeutung der Schattenwirtschaft übertraf in der UdSSR bei weitem die der offiziellen Planwirtschaft. Der Arbeitslohn in der Planwirtschaft war außerdem unabhängig von der Leistung und vom Fleiß des Arbeiters. Es bestand somit kein Anreiz sich besonders einzusetzen, und jeder drückte sich deshalb so weit es irgend möglich war vor seiner offiziellen Arbeit. Dafür setzte er seine ersparten Kräfte um so besser ein, wenn er anschließend am inoffiziellen Markt illegal gegen einen leistungsgerechten Lohn zu arbeiten Gelegenheit fand. Und die ergab sich ohne Schwierigkeiten, weil der offizielle Markt so gut wie überhaupt keine brauchbaren Dienstleistungen anbieten konnte.

Aber auch in der Planwirtschaft gab es gesetzlich nicht verbotene Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft. Das von Bauern mit gesetzlicher Genehmigung bewirtschaftete Land in der UdSSR umfasste etwa 4% der gesamten im Staat verfügbaren landwirtschaftliche nutzbaren Fläche. Auf diesem kleinen Bruchteil der nutzbaren Fläche erzeugten die Bauern über 60% aller Kartoffel, sowie über 33% an Obst, Gemüse, Eiern, Milch und Fleisch des gesamten Konsums im Lande.

Diese bedeutende Leistung der Schattenwirtschaft lag natürlich nicht an den Menschen, sondern am System. Das hatte man seinerzeit sogar auch in Ungarn, dem Wirtschaftswunderland unter den Ländern der Planwirtschaft, erkannt. Dort gab es pro Kopf doppelt so viele, teils auch illegale, Privatbetriebe wie in der


UdSSR. 40% des Wohnraums und 33% der landwirtschaftlichen Produkte wurden in einer teils legalen Privatwirtschaft in Kleinstbetrieben und teils in einer halblegalen Schattenwirtschaft geschaffen.

Betrachten wir als nächstes Beispiel Italien, ein Land in dem die offizielle Marktwirtschaft auch relativ schlecht funktioniert.

Von den in aller Welt beliebten italienischen Schuhen und Leder- und Textilwaren, einschließlich der Bekleidungswaren, werden in einigen Branchen bis zu 90% im Untergrund erzeugt.

Ein Abgeordneter der DC beschrieb die Wirtschaft seines Landes so:

"Es gibt zwei Italien. Das eine, das Steuern zahlt, aber an Händen und Füßen gefesselt ist, und nur durch staatliche Hilfe vor dem Zusammenbruch bewahrt wird, und das andere, der vielen florierenden Minibetriebe mit pulsierender Vitalität, das den Rest der offiziellen Wirtschaft während der letzten Krisenjahre vor dem Zusammenbruch bewahrt hat."

Die "Economia somersa" erzeugt 35% des BIP. 5 Millionen Menschen arbeiten im Untergrund, etwa die Hälfte davon als Schwarzarbeiter, die keiner offiziellen Arbeit nachgehen und etwa die andere Hälfte als Grauarbeiter, die neben ihrem legalen Beruf auch einer anderen Beschäftigung nachgehen, die von keiner Statistik erfasst wird.

Den 3 Millionen Arbeitslosen der offiziellen Wirtschaft stehen also 5 Millionen illegale Arbeiter der Schattenwirtschaft gegenüber. Von den 2,5 Millionen Schwarzarbeitern sind 500.000 illegale Gastarbeiter, also keine Italiener, so dass sich italienische Arbeitslose und italienische Schwarzarbeiter fast die Waage halten. Das heißt aber natürlich nicht, dass alle offiziellen Arbeitslosen einer Schwarzarbeit nachgehen. Nur etwa die Hälfte der Arbeitslosen sind gleichzeitig Schwarzarbeiter. Die restlichen Arbeitslosen sind entweder fallweise Grauarbeiter oder Arbeitsscheue, die ein dolce vita ohne Arbeit vorziehen.

Sicher ist jedenfalls, dass ein zweites Italien existiert, in dem 2 Millionen Schwarzarbeiter, ähnlich wie seinerzeit in der Planwirtschaft der Oststaaten, fleißig arbeiten, Häuser bauen, und für den Weltmarkt gefragte Produkte erzeugen, und auch die offizielle Wirtschaft weitgehend versorgen.

Allein das Defizit durch Steuerhinterzeihung für den Staat beträgt 90 Milliarden Euro, das sind etwa 20% des BIP.

Das illegale Italien gewinnt zur Zeit eher an Bedeutung gegenüber dem offiziellen, weil die Sozial- und Steuergesetze eine weitere Entfaltung der offiziellen Wirtschaft unmöglich machen oder sogar ihren weiteren Bestand bedrohen. Immer neue Ge- und Verbote der Bürokratie, Vorschriften zur Unfallverhütung und diverse Soziallasten und Nebenkosten sind für viele Betriebe zu teuer geworden. Sie mussten ihre Tore schließen. Ihre ehemaligen Mitarbeiter verdienen heute vielleicht im Untergrund mehr, oder in kleinsten Betrieben, in denen der Druck der Gewerkschaften geringer ist, als in Großbetrieben.

Auch die zunehmende Heimarbeit wird zum Selbstschutz gegenüber übertriebenen Ansprüchen des Wohlfahrtsstaates.

In der Untergrundwirtschaft stimmen dann die Bilanzen wieder. Es gibt weder Streiks noch zusätzliche Sozialbelastungen, kaum Sicherheitsvorschriften und keine Kündigungsfristen, keine Gewerkschaften und durch Kauf und Verkauf ohne Rechnung ersparen sich Unternehmer und Händler die Mehrwertsteuer, die Einkommenssteuer, sowie alle anderen Steuern. Darüber hinaus gibt es auch keinen Verwaltungskram, den die offiziellen Unternehmen für den Staat verrichten müssen. Und obendrein haben die Untergrundbetriebe fleißige und arbeitswillige Mitarbeiter, während die legalen Betriebe mit faulen und arbeitsscheuen Elementen zurechtkommen müssen, die mit dem Unternehmer noch Prozesse beim Arbeitsgericht führen, so dass dieser sich seinen eigentlichen Aufgaben kaum noch widmen kann.

Zur Zeit arbeiten nur 38% der Bevölkerung auf erfassten Arbeitsplätzen (gegenüber 45% in Deutschland), was ebenfalls einen Anhaltspunkt für den hohen Anteil der in der Schattenwirtschaft tätigen Schwarzarbeiter liefert. Aber auch die Anzahl der Grauarbeiter lässt sich sehen:

54% aller Beamten haben einen Nebenjob;
68% der Beamten im Landwirtschaftsministerium sind Grauarbeiter;
32% der Beamten arbeiten während der Arbeitszeit als Vertreter für den Vertrieb von Konsumgütern innerhalb ihres Amtes.
Und die Abwesenheitsquote der Beamten ist durchschnittlich 15% weil es keine strengen Kontrollen gibt.

Der Umsatz des organisierten Verbrechens ist auch höher als in anderen westlichen Ländern: 76.000 Autos werden im Jahr gestohlen und größtenteils exportiert. Der Umsatz der kriminellen Unterwelt ohne diesen Autoexport beträgt 15 Mrd. EUR, dabei entfallen 50% auf den Rauschgifthandel, 30% auf illegale Wetten, 6% auf Schmuggel anderer Waren, der Rest auf Bankraub, Schutzgelder, die zum Großteil auch im Ausland eingehoben werden, und andere Aktivitäten der Unterwelt.

Auch das System der Erpressung zur Bezahlung von Schutzgeldern ist in Italien am verbreitetsten. Die Mafia, die Camorra, die Brigate Rosse, die Cosa Nostra, die Autonomia und die Senza Tregua (ohne Waffenstillstand) waren und sind nicht nur im Inland tätig, sondern auch in allen anderen Ländern der Welt, wo etwas zu holen ist. Die Camorra und der jeweilige Verbrecherclan eines lokalen Bereiches, meist einer Großstadt, verbinden sich dann zu "Rackets", die die Eintreibung der Tangenten organisieren.

Die Anbahnungstechniken der Blutsauger sind mannigfaltigst. Beliebt war eine Zeit das System mit der Puppe. "Was ist Ihnen diese schöne Puppe wert?" fragt ein Vermittler beim Betreten eines Geschäfts oder Hotels. Unabhängig davon, ob die Puppe ihren Besitzer wechselt oder nicht und unabhängig von der Höhe des gespendeten Betrages, ist unter diesen Umständen eine Anzeige wegen Erpressung natürlich auch dann nicht möglich, wenn der Geschädigte überhaupt den Mut hätte, die Polizei zu verständigen. Außerdem ist es eine Erfahrungstatsache, dass für jede bezahlte Tangente, die der Polizei zur Kenntnis gebracht wird, 10 weitere, höhere Tangenten fällig werden.


Aber auch härtere Repressalien sind üblich, wie anonyme telefonische Drohungen, Einbruchsdiebstähle und anschließende Brandlegung oder Zertrümmerung der Einrichtung. Kurze Zeit nach diesen "Warnungen" ist das Auftauchen von freundlichen Vermittlern zu erwarten, die sich anbieten, gegen die Verbrecher einen Schutz zu bieten. Frechere Vertreter des Rackets verlangen die Bezahlung von Waren, die nie geliefert wurden, oder von Diensten, die nie erbracht wurden. Wenn die "gesalzene Rechnung" nicht beglichen wird, kann auch eine Pistole im Genick nachhelfen, die Barzahlung zu erzwingen.

75% der Betroffenen halten sich an die Schweigepflicht, die ihnen die Verbrecher auferlegen, weil sie befürchten, dass es zum Einsatz des äußersten Mittels der Delinquenten kommt: zum Menschenraub mit anschließend enormen Forderungen nach Lösegeldern.

Eine anonyme Umfrage der Handelskammern hatte ergeben, dass etwa 150.000 italienische Firmen, Kaufleute, Hoteliers, Bars, Handwerker und Gewerbetreibende solche Tangenten von durchschnittlich 2000 EUR im Monat bezahlten.

Der Polyp des Tangentenunwesens hat also viele Fangarme, die er fallweise auch im Ausland einsetzt.

Wie sieht nun die Schattenwirtschaft in einer relativ gut funktionierenden Marktwirtschaft aus, etwa in der BRD oder in den USA?

Der gesamte Umsatz der Untergrundwirtschaft in der BRD wurde 1983 auf 12-15% des BIP von 1500 Mrd. DM, also auf etwa 200 Mrd. DM geschätzt. Davon entfallen etwa:

Die restlichen von keiner Statistik oder Behörde erfassten Sparten der Schattenwirtschaft entfallen auf Grauarbeit, linke Arbeit und vor allem auch auf legale Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe.

Nach den offiziellen Statistiken gibt es heute (2002) 4 Millionen Arbeitslose und man muss sich deshalb wohl fragen, wie viele von ihnen sind Schwarzarbeiter, die dank ihrer Unterstützung mehr verdienen als vorher in einem legalen Arbeitsverhältnis? Und wie viele Schwarzarbeiter, die in keiner Arbeitslosenstatistik erfasst werden und wie viele Grauarbeiter stehen den 4 Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld gegenüber, von denen wohl nur etwa die Hälfte wirklich keine Arbeit verrichtet.? Und um wie viel ist das BIP unter Berücksichtigung der Schattenwirtschaft vielleicht gewachsen, auch wenn das legale BIP fallweise abgenommen hat?

Jedenfalls arbeiten 3,5 Millionen Bürger in Deutschland teilweise um etwas dazuzuverdienen ohne dafür Steuer zahlen zu müssen, teilweise aber auch, weil sie ihre Fähigkeiten in der Schattenwirtschaft besser entfalten können. Vielleicht auch weil sie in der Schattenwirtschaft selbständiger und unter angenehmeren Bedingungen arbeiten können, als in ihrem offiziellen Beruf.

Auch in den USA schätzt man den Anteil der Schattenwirtschaft wie in Deutschland auf 12-15%, wobei allein die Steuerhinterziehung einem Betrag von 100 Mrd. US-$ entsprechen soll. Ein Drittel des unversteuerten Einkommens stammt dabei allein aus krimineller Tätigkeit. Nicht nur in Italien und in den ehemals kommunistischen Ländern, auch in Deutschland und den USA blüht somit die Schwarzarbeit: Maler und Anstreicher, Kraftfahrzeugmechaniker und Klempner, Maurer und Elektriker, Friseure und Schlosser arbeiten im Untergrund meist mit mehr Fleiß, besser und schneller als in der offiziellen Wirtschaft. Lehrer geben Nachhilfe, Universitätsassistenten schreiben Diplomarbeiten, Bauräte zeichnen Pläne von Einfamilienhäusern, Versicherungsangestellte arbeiten als Konsulenten und Beamte als Vertreter.

Alle diese Tätigkeiten werden zwar von keiner Behörde erfasst, sie tragen aber teilweise doch in nicht zu unterschätzendem Umfang zur Vermehrung des Volksvermögens und zum Wohlstand vieler Bürger bei.

Auf alle Fälle wäre es deshalb Vogelstraußpolitik die Wirtschaftspolitik ohne Berücksichtigung der Vorgänge in der Schattenwirtschaft zu betrachten. Denn währen in der legalen Wirtschaft ein Großbetrieb nach dem anderen in Konkurs geht, wächst die Wirtschaft im Untergrund. Je schlechter die offizielle Wirtschaft funktioniert, desto mehr verschiebt sich der Schwerpunkt der Gesamtwirtschaft von der legalen zur Schattenwirtschaft.

Maßnahmen zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft

Um die Schattenwirtschaft in zulässigen Grenzen zu halten müssen die folgenden wesentlichen Ursachen beseitigt werden:

  1. Die  übermäßige Belastung durch Steuern und Sozialabgaben, durch Senkung der direkten Steuern und explodierenden Lohnnebenkosten.

  2. Die Gesetzesfluten auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes und der Sicherheitsvorschriften müssten wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert werden.

  3. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit müsste durch Einbeziehung des Arbeitslohnes in die Marktwirtschaft beseitigt werden. An die Stelle der Tariflöhne, müssten Systeme der Entlohnung treten, die auch die Wertschöpfung des Betriebes und die Qualität der Arbeit berücksichtigen und nicht nur, wie zu Zeit, die Quantität.

  4. Anstelle der ständig sinkenden Arbeitszeit durch kürzere Wochenarbeitszeit, kürzere Lebensarbeitszeit und mehr Zeit für Agenden außerhalb der Arbeitszeit ohne auf die Tätigkeit in der Freizeit Rücksicht zu nehmen, müsste auch auf die sinnvolle Verwertung der Freizeit in einer Dualwirtschaft Wert gelegt werden.

  5. Das verlorenen Vertrauen in den Staat, der selbst immer schlechter wirtschaftet, aber der Wirtschaft vorschreibt, wie sie zu wirtschaften hat, müsste wiederhergestellt werden. Hierzu wären Abschaffung aller Subventionen und eine gleichzeitige aufkommensneutrale Steuersenkung sowie gerechtere Sozialgesetze und Entlohnungssysteme erforderlich, in denen auch der Erfolg der Arbeit berücksichtigt wird. Diese Maßnahmen würden auch die Steuermoral heben.


Gesetze, die nicht die Ursachen, sondern nur die Symptome verbieten, wie Kontrollen durch die Marktämter und Bestrafung jeder von den Behörden nicht genehmigten Tätigkeiten, Betriebsprüfungen durch das Finanzamt und andere bürokratische Maßnahmen, vergrößern nur die Unterschiede zwischen dem im Untergrund und dem in der legalen Wirtschaft erzielbaren Gewinn und begünstigen damit die weitere Entfaltung der Schattenwirtschaft.

Deshalb sollte man eher nach Möglichkeiten suchen, die zunächst die Eingliederung der Selbstwirtschaft und aller legalen Sparten der Schattenwirtschaft in die offizielle Wirtschaft ermöglicht und gleichzeitig die Gewinnchancen durch Risikobereitschaft im illegalen Teil der Schattenwirtschaft verringert und im legalen Teil vergrößert.

Da der Drogenhandel wohl einer der bedeutendsten Faktoren der Schattenwirtschaft ist, der auch enorme Gewinnchancen bietet, erscheint sogar die Frage nach einer möglichen Liberalisierung des Drogenhandels durchaus berechtigt zu sein. Denn sie würde erreichen, dass die Gewinnchancen des Drogenhandels mit einem Schlag nicht mehr höher wären als beim Zigarettenschmuggel und der Umsatz mit Drogen ginge auf alle Fälle auf einen Bruchteil des derzeitigen zurück. Natürlich wäre eine so radikale Maßnahme nur auf internationaler Ebene und nicht in einem einzigen Land alleine möglich, weil sich sonst ja in diesem ein Drogenhandelszentrum enormen Ausmaßes entwickeln würde.

Maßstäbe für den Umfang der Schattenwirtschaft

In den vorhergehenden Abschnitten wurden verschiedene Angaben über den Umfang der Schattenwirtschaft gemacht und gleichzeitig als Kennzeichen der Schattenwirtschaft festgehalten, dass diese von keiner Statistik erfasst wird.

Es ist deshalb wohl notwendig, wenigstens einige Informationen über die Quellen anzugeben, die es überhaupt ermöglichen, den Umfang der illegalen Tätigkeiten abzuschätzen.

Bei diesen Quellen unterscheidet man direkte und indirekte Untersuchungsmethoden. Erstere bestehen nur in der Befragung verschiedener Personen, die als Lieferanten, Konsumenten oder Vermittler an den Vorgängen im Untergrund beteiligt sind. Als Ergänzung dienen Daten der Behörden, in denen Gesetzesverstöße festgehalten werden, wie Akten des Finanzamtes, der Polizei und des Zolls.

Obwohl natürlich alle in der Schattenwirtschaft Tätigen daran interessiert sind, ihre Tätigkeit nicht zuzugeben, ist durch solche Befragungen wider Erwarten doch möglich relativ genaue Angaben über das Ausmaß der Schattenwirtschaft zusammenzustellen.

Der direkten Befragung zufolge arbeiteten in Deutschland 1983 rund 3,3 Millionen illegal Erwerbstätige durchschnittlich 3 Stunden täglich. Das entspräche einem Umsatz von nur 70 Mrd. DM (5% vom BIP). Berücksichtigt man aber, dass Fleiß und Arbeitstempo im Untergrund einen höheren Leistungsgrad ermöglichen, so kann man mit einem Anteil von 7-8% der Schwarzarbeit am BIP rechnen. Der restliche Teil der Schattenwirtschaft entfällt auf schwere Kriminalität, wie Rauschgift- und Waffenhandel, Diebstahl, Schutzgelderpressung, Prostitution usw.

Die indirekten Verfahren verwenden als Maßstab für den Umfang der Schattenwirtschaft veränderliche Größen in der offiziellen Wirtschaft, wie etwa Analysen des offiziellen Arbeitsmarktes, die Veränderung des umlaufenden Bargeldes im Verhältnis zum gesamten Geldumlaufes zum BIP.

Die Verfolgung der Vorgänge am Arbeitsmarkt zeigt zum Beispiel in der BRD die folgende Entwicklung: Die "offizielle Erwerbsquote" betrug 1957 49% der Bevölkerung. 1975 nur noch 40% und 1980 nur noch 38%. Sie ist von 1957 bis 1970 ständig gefallen und nur 1975 infolge einer kurzen Konjunktur nochmals vorübergehend etwas angestiegen und liegt heute bei 36%.

Die durch die Abnahme der offiziellen Erwerbsquote von 49% auf 38% innerhalb von 23 Jahren frei werdenden Arbeitskräfte standen der Schattenwirtschaft ab 1980 zur Verfügung. Die Verschiebung der tatsächlichen Arbeitsleistung von der offiziellen Wirtschaft zur Schattenwirtschaft ist außerdem noch wesentlich größer als die dem Rückgang der Erwerbsquote entsprechende, weil auch die Wochenarbeitszeit in der offiziellen Wirtschaft in dieser Zeit von 45 auf 38 Stunden und die durchschnittliche Lebensarbeitszeit trotz zunehmender Lebenszeit um etwa 3% verkürzt wurde und weil außerdem im Untergrund fleißiger gearbeitet und die Arbeitszeit deshalb besser genützt wird.

Die finanzielle Abwicklung aller Geschäfte im Untergrund erfolgt vornehmlich in Bargeld. Deshalb lässt sich aus dem Umfang des Bargeldumlaufes außerhalb des Bankensektors auf den Umfang der gesamten Schattenwirtschaft schließen. Unter der Voraussetzung, dass die Geldumlaufgeschwindigkeit in der offiziellen und in der illegalen Wirtschaft gleich groß ist, errechnete G. Kirchgässner für die BRD für 1980 einen Umfang der Schattenwirtschaft von 10% des BIP. Im Jahr 1965 ergab die gleiche Kalkulation einen Umsatz der Untergrundwirtschaft von nur 2,5% des BIP, 1966/67 in der Restriktion wieder 5% und im darauffolgenden kurzen Aufschwung im Jahr 1975 wieder nur 2,5%.


Der relativ geringe Wert von 10% für die Zeit seit 1980 ist wohl auf folgende Ursachen zurückzuführen:

  1. In der Untergrundwirtschaft wird teilweise doch auch der Scheckverkehr verwendet.
  2. Im Untergrund spielen auch Tauschgeschäfte eine nicht unbedeutende Rolle.
  3. Die Geldumlaufgeschwindigkeit ist im Untergrund größer als in der legalen Wirtschaft.
  4. Der Leistungsgrad und die Arbeitsgeschwindigkeit sind im Untergrund höher.

Unter Berücksichtigung dieser 4 Argumente stimmen die Schätzungen aufgrund der Quoten der Beschäftigten, der direkten Befragungen und der umlaufenden Bargeldmengen recht gut überein. Der Umfang der Schattenwirtschaft lässt sich schließlich auch aus dem Verhältnis des gesamten Geldvolumens zum BIP abschätzen:

Das Verhältnis dieses gesamten Geldvolumens, das aus Bargeld und Bankguthaben besteht, zum BIP bleibt nicht konstant, sondern nimmt ständig zu. Aus dieser Zunahme kann auf die Zunahme des nicht erfassten BIP geschlossen werden. Schätzungen aufgrund dieser Zunahme des Geldumlaufs zum BIP ergeben für die BRD für die Zeit von 1975 bis 80 einen Umfang der Schattenwirtschaft von 16-24%, also eine wesentlich höheren Anteil, als bei ausschließlicher Berücksichtigung der Zunahme des Bargeldumlaufs. Die Zunahme des Verhältnisses des gesamten Geldumlaufs zum BIP ist deshalb wohl nicht nur auf das Wachstum der Schattenwirtschaft, sondern auch auf andere Ursachen zurück zu führen.

Auch wenn alle diese Schätzungen keine genauen Angaben ermöglichen, so liefern sie doch Anhaltspunkte über den Umfang der Schattenwirtschaft in verschiedenen Ländern sowie über die Veränderung dieses Umfanges mit der Zeit: 1960 war der Umfang der Schattenwirtschaft in den USA und Holland wesentlich höher als in Deutschland und Österreich und auch höher als in den OECD-Ländern. 1978 dagegen nahmen die Umsätze vornehmlich in Italien radikal zu, aber auch in den Skandinavischen Ländern Schweden und Norwegen zeigte sich eine stärkere Zunahme als in den USA. Deutschland rückte auch von Platz 9 auf Platz 7 in der Reihenfolge der Länder mit bestimmtem Anteil der Schattenwirtschaft in der Gesamtwirtschaft. In England nahm dagegen die Schattenwirtschaft sogar etwas ab. Die geringsten Umsätze im Untergrund finden jedoch während der gesamten untersuchten Zeit in der Schweiz und in Japan statt, also in den Ländern, in denen die Steuerbelastung besonders niedrig ist, und in denen deshalb wohl auch länger und fleißiger gearbeitet wird, und die Wirtschaft der höheren Arbeitsmoral entsprechend gesund ist.

Die hier erwähnten Maßstäbe für den Umfang der Schattenwirtschaft geben zwar keine exakten quantitativen Angaben, aber sie gestatten die Symptome der Vorgänge im Untergrund zu erkennen und zu verfolgen.

Durch die Beobachtung der Symptome kann verhindert werden, dass die Schattenwirtschaft und deren zur Zeit zunehmende Bedeutung nicht überhaupt unter den Teppich gekehrt wird..

Dr.Heinz Zoebl ist Unternehmer in Wien.