Das Leiden zwischen Schein und Sein

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von Dr. Anton Szanya

Über einige ideologische Ahnherren eines völkischen Anwalts und seiner Brüder im Geiste

Krisenjahre Österreichs im 19. Jahrhundert

In den vierzehn Jahren von 1859 bis 1873 wurde das Kaisertum Österreich mehrmals heftig erschüttert. In den Jahren 1859 und 1860 erlitt Österreich im Krieg gegen das mit Frankreich verbündete Königreich Sardinien-Piemont eine empfindliche Niederlage. Im Frieden von Zürich musste Österreich die Lombardei abtreten. Unter des Eindruck des Sieges Sardinien-Piemonts kam es zu tiefgreifenden politischen Umwälzungen als deren Ergebnis sich König VITTORIO EMANUELE II. im März 1861 zum König von Italien proklamieren lassen konnte. Damit war auf der Apenninenhalbinsel ein italienischer Nationalstaat entstanden.

In den folgenden Jahren spitzte sich innerhalb des Deutschen Bundes der Kampf um die Vorherrschaft zwischen Preußen und Österreich so weit zu, dass es im Jahr 1866 zum Krieg zwischen den beiden Staaten kam. Am 3. Juli 1866 erlitt die kaiserliche Armee in der Schlacht bei Königgrätz (Hradec Králové) eine schwere Niederlage. Der durch diese Niederlage herbeigeführte Ansehensverlust für die Dynastie und die Regierung wie auch der wegen der Belastungen durch die Kriegsverluste drohende Staatsbankrott ermutigte die separatistischen Kräfte in Ungarn, so dass die Wiener Regierung sich zum Friedensschluss um den Preis der Abtretung Venetiens an das mit Preußen verbündete Italien und des Ausschlusses Österreichs aus dem Deutschen Bund herbeilassen musste.

Die außenpolitischen wie auch die innenpolitischen Misserfolge brachten die konservativen politischen Kräfte um jedes Vertrauen. Unter der Führung liberaler Politiker wurde ein Umbau des Staates vorgenommen, der im Jahr 1867 zum sogenannten österreichisch-ungarischen Ausgleich und unter anderem auch zur Erlassung des »Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger«1 führte, das noch heute Teil des österreichischen Verfassungsrechtes ist. Dieses Gesetz gewährleistete allen Bürgern die Gleichheit vor dem Gesetz, den Zutritt zu allen öffentlichen Ämtern, die Freizügigkeit der Person, die Unverletzlichkeit des Eigentums, das Recht zur freien Meinungsäußerung, die freie Religionsausübung sowie auch die Versammlungs- und Vereinsfreiheit.

Wegen des Ausschlusses aus dem Deutschen Bund und der Umgestaltung des Kaisertums Österreichs zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie, in der einem großen und geschlossenen Königreich Ungarn vierzehn, umgangssprachlich als Cisleithanien bezeichnete „im Reichsrate vertretene Königreiche und Länder“ gegenüberstanden, steigerte sich ein vom deutschen Mutterland abgetrenntes und in dem neuen Staat in eine Minderheitsposition geratenes Deutschtum in einen glühenden Hass gegen die ihres Glanzes weitgehend entkleidete Dynastie und einen hysterischen Abwehrkampftaumel gegen alles Slawische und Jüdische hinein. Die solcherart Befangenen vermochten in dem Staatsumbau des Jahres 1867 nicht die unausweichliche Folge des Versagens des neoabsolutistischen Regimes des Kaisers FRANZ JOSEPH zu erkennen, sondern nur die Ränke des jüdischen Liberalismus, der auf diese Weise „zwei Millionen Germanen in Ungarn verkauft und verraten“2 hätte, um die Stellung der Deutschen in Österreich zu schädigen, wie der einflussreiche Politiker und Prälat Joseph SCHEICHER meinte.

Der Sieg über Österreich bot der preußischen Regierung die Plattform, von der aus sie die nationale Einigung Deutschlands unter dem Hause Hohenzollern und die Beseitigung der europäischen Vormachtstellung Frankreichs in Angriff nehmen konnte. Dieses Ziel erreichte sie im preußisch-französischen Krieg der Jahre 1870/71, der mit der Vereinigung aller deutschen Staaten unter Preußen zum Deutschen Reich und der Proklamation des preußischen Königs WILHELM I. zum „Deutschen Kaiser“ sowie der Angliederung von Elsass-Lothringen als Reichsland an das neue Deutsche Reich endete. Durch diesen Erfolg zogen das Haus Hohenzollern wie auch der Reichskanzler Otto von BISMARCK die Bewunderung der Deutschnationalen in Österreich auf sich, wie diese andererseits in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie nur mehr ein sich überlebt habendes Überbleibsel der Geschichte erkennen wollten, das der Vereinigung aller Deutschen in einem einzigen großen, mächtigen Deutschen Reich im Wege stand.

Kaum zwei Jahre nach dem Triumph Deutschlands sahen sich die Zweifler an der Lebensfähigkeit der Monarchie bestätigt, als am 3. Mai 1873 mit dem großen Börsenkrach eine Unzahl von Existenzen wirtschaftlich ruiniert wurde und viele Spekulanten Selbstmord begingen. Die Ursache für diesen Zusammenbruch wollten viele nicht in der überalterten, in Kleinbetriebe und handwerkliche Unternehmungen zersplitterten, in einer von altmodischen, zünftlerischen Auffassungen geprägten Wirtschaftsgesinnung erkennen, sie wollten vielmehr einen Schuldigen sehen, auf den man mit dem Finger zeigen konnte. Alle Schwierigkeiten und alles Elend der wachsenden Verstädterung, alle Missstände und alle Ausbeutung im aufsteigenden Kapitalismus wurden nicht als Auswirkungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umgestaltungsprozesse erkannt, sondern als die Folgen eines teuflischen Planes zur Eroberung der Weltherrschaft durch die Juden gedeutet. Darin waren sich die meisten politisch Denkenden des österreichischen Kleinbürgertums und der ländlichen Bevölkerung, aber auch Teile der sich bildenden Arbeiterbewegung einig. Die Unterschiede lagen in den Meinungen über die Zielgruppe, gegen die sich die angebliche jüdische Verschwörung richtet. Für die einen war es das deutsche Volk beziehungsweise die deutsche Kultur, für die anderen die katholische Kirche und das christliche Volk.

 


 

1 RGBl. Nr. 142/1867
2 Joseph Scheicher: Erlebnisse und Erinnerungen. Bd 2. Wien: Fromme 1907. S. 442.


Georg von Schönerer – Der Apostel der Deutschen

Georg Ritter von SCHÖNERER war der Sohn des Matthias von SCHÖNERER, eines wegen seiner Verdienste geadelten Pioniers des österreichischen Eisenbahnbaues, der in Rosenau bei Zwettl im niederösterreichischen Waldviertel begütert war. Wie für so viele andere Deutschösterreicher wurden die Kriege der Jahre 1866 und 1870/71 auch für Georg von SCHÖNERER zu politischen Schlüsselerlebnissen. Unter dem Eindruck der glanzvollen Siege Preußens über das österreichische und das französische Kaiserreich wurde er zu einem glühenden Anhänger BISMARCKS und ein überzeugter Deutschnationaler. Für SCHÖNERER konnte am Ende dieses glorreichen Siegeszuges nur die Beendigung der Schmach des Ausschlusses der österreichischen Deutschen aus dem Deutschen Bund und ihre Aufnahme in das Deutsche Reich stehen. Für diese „Vollendung“ des Deutschen Reiches wollte er sich politisch einsetzen.

Im Jahre 1873, dem Jahr des großen Börsenkrachs und der auf ihn folgenden Wirtschaftskrise, wurde Georg von SCHÖNERER für den Bezirk Waidhofen an der Thaya/Zwettl in den Reichsrat gewählt, wo er dem sogenannten Fortschrittsklub beitrat. Drei Jahre später trat er aus dem Fortschrittsklub wieder aus, um von da an als kompromissloser Kämpfer gegen Liberalismus, Kapitalismus, Judentum und Korruption aufzutreten, was ihm die bewundernd gemeinte Bezeichnung „Charakterfettaug auf der politischen Bettelsuppe“3 eintrug. Im Jahr 1878 war SCHÖNERER einer der Hauptredner gegen die Besetzung Bosniens und der Herzegowina, weil dadurch die Übermacht der Slawen in der Monarchie noch weiter gestärkt würde, während dem Staat unvorhersehbare finanzielle Belastungen erwachsen würden, die vor allem die Deutschen in Österreich zu tragen haben würden. Am 18. Dezember 1878 löste er im Reichsrat heftige Tumulte aus, als er in einer seiner Reden ausrief: „Immer mehr und mehr und immer lauter und lauter hört man in den deutschen Kronländern den Ruf: ‚Wenn wir nun schon zum Deutschen Reich gehören würden, um von Bosnien und seinem Anhange endlich befreit zu sein!’“4 SCHÖNERER blieb aber nicht bei der Kritik an der Politik Österreich-Ungarns stehen, sondern er schritt dazu fort, unter der Parole „Volksrecht bricht Staatsrecht!“ der Dynastie Habsburg jede Legitimität ihrer Herrschaft abzusprechen und im Hause Hohenzollern das wahre Herrschergeschlecht aller Deutschen zu sehen.

Das Linzer Programm

Die volkstribunenhafte Art SCHÖNERERS, sein die Vorurteile der Massen bestätigendes Auftreten gegen die herrschende politische Klasse, gegen das – vor allem als jüdisch beherrscht dargestellte – Kapital und gegen die Gleichstellungsansprüche der nichtdeutschen Nationalitäten in Österreich-Ungarn brachten ihm nicht nur die begeisterte Anhängerschaft des sogenannten „kleinen Mannes“ ein, sondern sie zog auch eine Anzahl intellektueller Persönlichkeiten an, aus der der Arzt Victor ADLER, der Journalist und Historiker Heinrich FRIEDJUNG, der Rechtsanwalt Karl LUEGER und der Journalist Engelbert PERNERSTORFER besonders hervorgehoben seien. Aus diesem Kreis kam eine Fülle von Vorschlägen, Plänen und Maßnahmen zur Modernisierung des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens der deutschen Bevölkerung in Österreich wie beispielsweise die Gründung des „Deutschen Schulvereins“ zur Finanzierung deutscher Schulen und Kindergärten in den gemischtsprachigen Gebieten der Monarchie.

Vor allem aber wurde der Kreis um Georg von SCHÖNERER durch die Ausarbeitung des »Linzer Programms« im Jahr 1882 bekannt, in dem die Grundzüge für eine Neuordnung des Staates niedergelegt wurden.

Die innenpolitischen Zielsetzungen dieses Programms liefen auf eine tatsächliche Aufteilung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie hinaus, deren Teile nur noch durch die Personalunion des gemeinsamen Herrschers mehr symbolisch als tatsächlich zusammengehalten werden sollten. „I. Es ist sowohl im nationalen als im staatlichen Interesse gelegen“, lauten die diesbezüglichen Ausführungen des Linzer Programms5, „daß diejenigen Länder der österreichisch-ungarischen Monarchie, welche dem deutschen Bunde angehörten, für sich ein möglichst unabhängiges und streng einheitlich organisiertes Ganzes bilden, und es muß demnach angestrebt werden: 1. Daß das derzeit bestehende Verhältnis zwischen der diesseitigen Reichshälfte und Ungarn durch die Personalunion ersetzt werde; 2. daß das Königreich Dalmatien sowie Bosnien und Herzegowina endgültig in Ungarn einverleibt werden; 3. daß die Kronländer Galizien und die Bukowina entweder mit Ungarn vereinigt oder aber denselben eine Sonderstellung ähnlich jener eingeräumt werde, wie sie Kroatien innerhalb des ungarischen Staatsverbandes besitzt.“ das heißt, von den „im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern“ sollten die deutschsprachigen und wirtschaftlich am weitesten entwickelten – aus diesem Grunde sollte auch das Königreich Böhmen trotz seiner überwiegend tschechischen Bevölkerung, die aber innerhalb des geplanten Gesamtverbandes eine schwache Minderheit wäre, in diesem mit eingeschlossen bleiben – zusammengefasst werden, während die wirtschaftlich weniger entwickelten slawischen Kronländer zu Ungarn geschlagen werden sollten. Ungarn wäre damit wirtschaftlich nachhaltig belastet und zudem durch die zu erwartenden Nationalitätenkonflikte zwischen den Magyaren und den slawischen Völkern außenpolitisch gelähmt. Die Einbeziehung Ungarns und der Balkanländer in eine zu schaffende Zollunion mit dem Deutschen Reich, wie sie im Abschnitt VII, Punkt 18, des Linzer Programms vorgesehen wurde, sollte diese Länder außerdem auf Dauer in wirtschaftliche Abhängigkeit bringen.

Der Abschnitt II des Programms zielt sodann auf eine dauerhafte Festigung der Vorherrschaft des Deutschtums in dem zu bildenden deutschen Länderverband ab, indem gefordert wird, dass „durch ein Gesetz die deutsche Sprache als Staatssprache erklärt, insbesondere aber verfügt werde: 4. Daß die deutsche Sprache ausschließlich Sprache des Heeres, der Vertretungskörper und der öffentlichen Ämter sei, daß demnach der gesamte innere Amtsverkehr sowie die öffentlichen Bücher und Protokolle ausschließlich in deutscher Sprache geführt werden. [...] 5. daß in Orten

 


 

3 Diese Äußerung stammt von dem Waldviertler Dichter Robert HAMERLING. (Brigitte Hamann: Hitlers Wien; Lehrjahre eines Diktators. München, Zürich: Piper 1996. S. 340.)
4 [Eduard Pichl]: Georg Schönerer und die Entwicklung des Alldeutschtums in der Ostmark; Ein Lebensbild von Herwig. Bd 1. Wien: Alldeutscher Verein für die Ostmark 1912. S. 70.
5 Die Zitate aus dem Linzer Programm sind entnommen aus Albert Fuchs: Geistige Strömungen in Österreich 1867 – 1918 (1949). Wien: Löcker 21984. S. 179 – 181.


mit sprachlich gemischter Bevölkerung an mindestens einer Volksschule der Unterricht in deutscher Sprache erteilt und an allen Mittelschulen die deutsche Sprache als obligater Gegenstand gelehrt werde, wogegen kein Schüler zur Erlernung einer anderen, etwa landes- oder bezirksüblichen Sprache gezwungen werden kann; 6. daß sämtliche Staatsprüfungen und Rigorosen, sofern sie zur Erlangung einer Anstellung im Staats- oder Landesdienst berechtigen sollen, ausschließlich in deutscher Sprache abgelegt werden müssen.“ Auf diese Weise war die baldige Eindeutschung aller anderssprachigen Minderheiten zu erwarten, so dass der neue Länderverband in wenigen Jahrzehnten ein rein deutsches Sprach- und Kulturgebiet werden würde.

Dieses national vereinheitlichte, auf die deutschen Länder beschränkte Österreich sollte sodann in hohem Maß demokratisch regiert werden. Gemäß dem Abschnitt III wäre es „im Interesse des Volkes und es Staates gelegen, daß den Grundsätzen des Konstitutionalismus in vollstem Maße Rechnung getragen werde, und es ist demnach anzustreben, 7. daß die bestehende gekünstelte und ungerechte Interessenvertretung durch eine fortschreitende Erweiterung des Wahlrechtes sowie insbesondere durch Vermehrung der Abgeordnetenzahl für die Landgemeinden und durch Einführung der direkten Wahl mittels geheimer Abstimmung zu einer wahren Volksvertretung ausgestaltet werde [...]“ Folgerichtig schloss sich daran die Forderung nach der Beseitigung aller noch bestehenden Beschränkungen des Vereins- und Versammlungsrechts als auch der Pressefreiheit an und auch eine, zwar nicht ausdrücklich vorgebrachte, aber doch auch in ihrer Umschreibung erkennbare Forderung nach einer Trennung von Kirche und Staat, „da eine gute freisinnige Erziehung die Vorbedingung des dauernden Bestandes und der freiheitlichen Entwicklung des Staates ist“.

In seinem außenpolitischen Teil verlangte das Linzer Programm die „Erhaltung und dauernde Befestigung des Bündnisses mit dem Deutschen Reich durch einen Staatsvertrag“, um mit dieser Rückendeckung „die Entfaltung einer zielbewußten und kräftigen Orientpolitik“ betreiben zu können, dies zur „Wahrung der österreichischen Interessen an der unteren Donau und in den Balkanländern“.

Zusammenfassend ist über das Linzer Programm zu sagen: In seinen Forderungen nach einer Abschließung der deutschsprachigen von den anderssprachigen Ländern der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und in seinem Bestreben, alle nichtdeutschen Sprachgruppen wie Tschechen, Slowenen oder Italiener einzudeutschen, ist es Ausdruck der tief sitzenden Unsicherheit der deutschnationalen Kreise in Österreich. Beruhigung erfährt diese Unsicherheit durch die mehrfach gewünschte Anlehnung an den großen deutschen Nachbarn, eine Möglichkeit des Ausgleichs durch Ausdehnungsphantasien gegenüber dem slawischen Osten.6

Deutschtum als Religion

Die Formulierungen des Linzer Programms waren der in eine nüchterne, staatsmännische Sprache gegossene Ausdruck starker, gleichsam religiöser Gefühle, mit denen Georg von SCHÖNERER und seine engeren Mitstreiter den Begriff des Deutschtums besetzt hatten. Bereits ein Jahr nach dem Linzer Programm schrieb die SCHÖNERER nahestehende Zeitung »Unverfälschte Deutsche Worte« unter dem Titel „Die Glaubensseite der neuen Religion des Deutschtums“: „Das Volkstum derer, die deutsch sind aus tiefstem Grunde [sei] ein vollwertiger Ersatz der Religion, freilich nicht in dem Sinne, als man darunter eine Mehrheit von Dogmen versteht, von deren Fürwahrhalten das Heil des Menschen abhängig ist. [...] Ein Hort der Sittlichkeit zu sein, dazu ist die deutsche Lebensanschauung berufen.“7

Auch in ihren Ausdruckformen nahm die Bewegung um Georg von SCHÖNERER zunehmend Züge einer Religionsgemeinschaft an. Fast alle Lebensbereiche der Schönerianer wurden von Vorschriften bestimmt: Nach außen zeigten sie bestimmte Erkennungszeichen wie die Kornblume, Runenzeichen oder die Grußformel „Heil“. Ihr Festkalender war bestimmt durch das Ostara- und das Julfest sowie die Gedenktage an die Schlacht im Teutoburger Wald und die Schlacht von Sedan. Im geschäftlichen und gesellschaftlichen Umgang wurde den Schönerianern nahegelegt, nur mit Deutschen zu verkehren und den Umgang mit Slawen und besonders mit Juden zu meiden. Vor der Eheschließung mussten die „arische“ Abstammung und die „biologische Gesundheit“ der Ehewilligen geprüft werden. Die Kinder erhielten deutsche Vornamen und wurden „nach alter deutscher Sitte“ – worin immer diese nun bestehen mochte – erzogen; vor allem der Bewahrung der Mädchen vor den Gefahren der Frauenemanzipation wurde große Aufmerksamkeit gewidmet, sollten sie doch zu „guten deutschen Müttern“ werden. Die Frauen durften sich nicht schminken und sollten einfache Kleider und Frisuren tragen. Die Jugend wurde darin unterwiesen, Verzicht zu üben und enthaltsam zu leben, um sich für die deutsche Nation gesund zu erhalten. Zu diesem Zwecke wurden auch Turnen und Gymnastik in frischer Luft gepflegt. Die Ernährung wurde überwiegend vegetarisch ausgerichtet, Getränke sollten alkoholfrei sein. Eine durchgehende Eindeutschung aller Fremdwörter sollte die Reinheit der deutschen Sprache bewahren. „Wer in strenger Selbstzucht und harter Pflichterfüllung aus sich selbst das denkbar Beste zu machen strebt, um diesen besseren Menschen in den Dienst seines Volkes zu stellen, der begeht eine deutsche Tat.“ – diese Worte aus den »Deutschen Hochschulstimmen aus der Ostmark«8 können als Leitmotiv für die Lebensführung der Schönerianer gelten.

Eine Vielzahl von Vereinen ließ sich die Pflege der verschiedenen Bereiche einer deutschen Kultur angelegen sein. Es gab da den Alldeutschen Verein für die

 


 

6 Das Linzer Programm fand in ungarischen und polnischen politischen Kreisen durchaus Zustimmung. Die Ungarn sahen darin die Möglichkeit einer weiteren Stärkung des Königreiches Ungarn. Die Polen konnten in einem selbständiger gewordenen Galizien die Plattform zur Schaffung eines eigenen polnischen Staates sehen. Gescheitert wären die Vorhaben des Linzer Programms gewiss am Widerstand der Tschechen und auch des Kaisers, der ohne Not keiner weiteren Zersplitterung der Monarchie zugestimmt hätte. Als SCHÖNERER im Jahre 1885 eigenmächtig den Absatz „Zur Durchführung der angestrebten Reformen ist die Beseitigung des jüdischen Einflusses auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens unerläßlich“ einfügte, wandten sich Victor ADLER und Heinrich FRIEDJUNG von SCHÖNERER ab. (Brigitte Hamann: Hitlers Wien, a. a. O. S. 346.)
7 Alois Tiller: Deutscher Sozialismus in den Sudentenländern und der Ostmark. Hamburg: Hanseatische Verlags Anstalt 21943. S. 53.
8 Deutsche Hochschulstimmen aus der Ostmark, 1.1.1910. S. 8.


Ostmark, den Verein zur Erhaltung des Deutschtums in Ungarn, den Jungdeutschen Bund, den Deutschen Turnerbund, den Bund der Germanen, der unter anderem auch eine Deutschvölkische Stellenvermittlung betrieb, den Deutschen Gesangverein und andere mehr. An der Spitze dieser vielfältigen Bewegung stand als unumschränkter Führer Georg von SCHÖNERER. Sein Wort war bindend, und abweichende Meinungen wurden nicht geduldet. „Ohne Einvernehmen mit Schönerer, dem Führer und Schöpfer unseres Programms, ist [...] kein Alldeutscher berechtigt, in der Öffentlichkeit Abweichungen von dem Programme Schönerers oder von den Grundsätzen zu verkünden, die Schönerer vertritt. Niemand außer Schönerer hat das Recht, Schönerers Programm oder die von Schönerer vertretenen Grundsätze [...] abzuändern, und es gibt niemanden unter uns, der über die erworbene oder anerkannte Autorität verfügte, gegen den Willen des Führers Schönerer in den Reihen der Alldeutschen programmatische Neuerungen zu vertreten.“9

In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts gestaltete Georg von SCHÖNERER seine religiös gefärbte Germanenverehrung weiter aus. Im Jahre 1887 beging er die „Zweitausendjahr-Feier germanischer Geschichte“, die er mit dem Sieg der Kimbern und Teutonen über ein römisches Heer im Jahr 11310 vor unserer Zeitrechung bei Noreia beginnen ließ. Am 24. 6. 1888 wurde daher von den Schönerianern in der Wachau festlich das Jahr 2001 n. N. (nach Noreia) begangen. Nicht nur die Zeitrechnung wurde germanisiert, sondern auch der Kalender, soll heißen „Zeitweiser“, indem die lateinischen durch germanische Monatsnahmen11 ersetzt wurden. SCHÖNERER änderte sein Geburtsdatum gemäß seiner Zeitrechung vom 17. Juli 1842 auf den 17. Heuert 1955 n.N.12

Die germanische Religiosität der Kreise um SCHÖNERER war durch und durch geprägt von einer auf einem manichäischen Untergrund aufruhenden Todessehnsucht. Auch die bereits genannte Pflege der Turnens hatte nicht die Freude an der Bewegung, an der Freiheit von beengender Bekleidung oder die Freude an der Schönheit eines geübten Körpers zu Inhalt und Ziel, sondern auch hier stand die Vorbereitung auf den Endkampf in der Art einer Götterdämmerung im Vordergrund: „Darum, deutsche Arbeiter, Bürger und Bauern, gründet zur Hebung der Gesundheit und Volkskraft allerorten Turnvereine und fördert das Schulturnen, auf daß das deutsche Turnen zu einem wallenden Meere werde, das die Grenzmark des deutschen Vaterlandes schirmend umbraust, auf daß wir Ostmarkdeutsche in der Stunde der höchsten Not auch die nötige körperliche Kraft und den Mut besitzen, um den Endkampf mit unseren völkischen Gegnern, wenn es sein muß, auch wieder durch Blut und Eisen zur Entscheidung bringen. Heil in diesem Sinne der deutschen Turnerei!“13

Der germanophil-neuheidnische Antisemitismus

Standen die Deutschen nach Ansicht SCHÖNERERS und seiner Parteigänger auf der höchsten Stufe der hierarchischen Ordnung der Rassen, so standen für ihn die Juden auf der untersten Stufe. SCHÖNERER traf sich in seiner antisemitischen Agitation mit den wachsenden Ressentiments vor allem der Wiener Bevölkerung. Seit der Einführung des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, das auch die Freizügigkeit der Person innerhalb Cisleithaniens gewährte, strömten viele Menschen aus den östlichen Kronländern Galizien und Bukowina nach Wien in der Hoffnung, in der wachsenden Hauptstadt Arbeit zu finden. Selbstverständlich waren darunter auch viele Juden, für die die ihnen von seiten der katholischen Polen und der orthodoxen Ruthenen entgegengebrachte Feindseligkeit ein zusätzlicher Anstoß war, von daheim wegzugehen. Schlugen den Slawen, die von den Wienern als zusätzliche Konkurrenten um Arbeit, Behausung und Lebensunterhalt erlebt wurden, vielfach Verachtung und Hohn entgegen14, so traf die Juden zusätzlich auch noch der in jahrhundertelanger christlicher Erziehung verinnerlichte Hass gegen sie. Eine Verschlimmerung erfuhr die Lage der Juden in Wien, als im Jahre 1881 vermehrt jüdische Flüchtlinge vor den Pogromen in Russland nach Österreich und damit auch nach Wien kamen. Angesichts dieser Flüchtlingswellen machte sich SCHÖNERER zum Sprecher des Volkes und sprach sich am 11. Mai 1882 im Reichsrat heftig gegen das „massenhafte Herbeiströmen eines unproduktiven und fremden Elementes“ aus und forderte gesetzliche Maßnahmen gegen die jüdische Einwanderung.15 Als der Reichsrat seine diesbezüglichen Anträge ablehnte, verschärfte SCHÖNERER seinen Ton. Mit dem Schlagwort „Ob Jud, ob Christ ist einerlei – in der Rasse liegt die Schweinerei“, forderte er eine strenge Sondergesetzgebung gegenüber den Juden, auch gegen die zum Christentum übergetretenen. Nach seinen Vorstellungen sollte die Freizügigkeit für Juden eingeschränkt, der Zwischenhandel durch jüdische Geschäftsleute verboten, an den Schulen und Universitäten ein numerus clausus für Juden entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung eingeführt und der Ausschluss aus den Staatsämtern, dem Lehrberuf und dem Pressewesen verfügt werden. Unter der Losung „Durch Reinheit zur Einheit“ forderte SCHÖNERER eine klare und scharfe Ausgrenzung und Absonderung alles Jüdischen, denn: „Wir Deutschnationale betrachten den Antisemitismus als einen Grundpfeiler des nationalen Gedankens, als Hauptförderungsmittel echt volkstümlicher Gesinnung, somit als die größte Errungenschaft dieses Jahrhunderts.“16  Es war nur mehr eine Frage der Zeit, bis auf dem Plakat mit einem Aufruf zu einer Massenversammlung der Schönerianer für den 18. Februar 1884 der Hinweis prangte: „Juden ist der Eintritt verboten!“17

 


 

9 Eduard Pichl: Schönerer und die Entwicklung des Alldeutschtums in der Ostmark. Bd 5. Oldenburg o.J. (1938). S. 332.
10 Nicht 118 v.u.Z., wie Friedrich HEER schreibt. (Friedrich Heer: Der Glaube des Adolf Hitler, a. a. O. S. 74.)
11 Diese waren: Hartung, Hornung, Lenzmond, Ostermond, Maien, Brachmond, Heuert, Ernting, Scheidung, Gilbhart, Nebeling, Julmond.
12 Brigitte HAMANN schreibt irrtümlich 1855. (Brigitte Hamann: Hitlers Wien, a. a. O. S. 350.)
13 Brigitte Hamann: Hitlers Wien, a. a. O. S. 351.
14 Selbst gebildete Menschen gaben sich ungescheut derartigen Gefühlen hin, wie aus einer Äußerung von Adolf LOOS über den Kaiserjubiläums-Festzug des Jahres 1908 hervorgeht: „im jubiläumsfestzug gingen völkerschaften mit, die selbst während der völkerwanderung als rückständig empfunden worden wären. glücklich das Land, das solche nachzügler und marodeure nicht hat.“ (Brigitte Hamann: Hitlers Wien, a. a. O. S. 148.)
15 [Eduard Pichl]: Georg Schönerer Bd 1, a. a. O. S. 162.
16 [Eduard Pichl]: Georg Schönerer und die Entwicklung des Alldeutschtums in der Ostmark; Ein Lebensbild von Herwig. Bd 2. Wien: Alldeutscher Verein für die Ostmark 1913. S. 2.
17 Brigitte Hamann: Hitlers Wien, a. a. O. S. 345.


Nachleben

Im Jahr 1888 endete Georg SCHÖNERERS politische Laufbahn. Seine viermonatige Haft wegen des gewalttätigen Überfalls auf die Redaktion des »Neuen Wiener Tagblattes«, das daraufhin folgende jahrelange erzwungene Fernbleiben vom politischen Leben und seine Trunksucht schwächten ihn und damit auch seine Bewegung. Unter der Führung Karl LUEGERS und Victor ADLERS stießen Christlichsoziale und Sozialdemokraten in den politisch leer gewordenen Raum vor und verurteilten den im Jahr 1897 in den Reichsrat zurückkehrenden SCHÖNERER zu politischer Bedeutungslosigkeit. Vor allem Karl LUEGER gewann mit seiner Agitation gegen den „jüdischen Kapitalismus“, gegen die „Judenpresse“ und gegen die Wiener Moderne die Massen, welche zuvor SCHÖNERER angehangen waren.

Am 15. November 1903 wurde in Aussig (Ústí nad Labem) die Deutsche Arbeiterpartei gegründet. Auf ihrem ersten Parteitag im August 1904 in Trautenau (Trutnov) verabschiedete sie ein Programm, das in vielen Punkten die Forderungen des Linzer Programms des Jahres 188218 wieder aufnahm. Es wurden „Forderungen erhoben, die als Ziel der politischen Arbeit die Hebung und Befreiung des arbeitenden deutschen Volkes aus dem Zustand der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Unerdrückung, die Schaffung von berufsgenossenschaftlichen Organisationen und den sozialen Aufstieg der Arbeiterschaft formulierten. Aus den ‚natürlichen’ Grenzen des Volkstums sollte auch eine nationale Abgrenzung der Volksgebiete abgeleitet werden. Die Partei wandte sich gegen ‚volksfeindliche’ und ‚fremdvölkische’ Einflüsse und forderte ein völkisches Schulwesen und eine ‚sittliche Volksordnung’. Das grundsätzliche Verständnis als alldeutsche Bewegung führte zur Forderung nach einer Zollgemeinschaft zwischen Deutschland und Österreich. Zur Weiterentwicklung der Demokratie sollte ein allgemeines, freies Wahlrecht, eine politische Selbstverwaltung sowie Rede- und Pressefreiheit beitragen.“19  Im Jahre 1918 benannte sich die Partei in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) um, im Laufe der zwanziger Jahre ging sie nach und nach in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) auf.

Guido von List – der Theologe des Wotanismus

Im Jahre 1876 veröffentlichte Felix DAHN20 (1834 – 1912) den ersten Band seines monumentalen Romans »Ein Kampf um Rom«. Bis zum Jahr 1878 erschienen noch weitere drei Bände. Liebe und Hass, Treue und Verrat, Aufrichtigkeit und Ranküne lenkten in diesem literarischen Historiengemälde die Bedrängnis, den letzten Triumph, die Niederlage und die wunderbare Rettung der Reste des Gotenvolkes nach Thule in den Jahren vom Tode des Königs THEODERICH bis zur letzten Schlacht am Vesuv im Jahre 553. Mit diesem Roman prägte DAHN einerseits das Geschichtsbild von Generationen und vermittelte ihnen subtil den Stolz auf die Zugehörigkeit zur germanischen, soll heißen deutschen, Edelrasse und die Verachtung für die Verrottetheit und Verworfenheit des welschen, soll heißen christlich-katholischen, Wesens, zum anderen traf er auch genau die Stimmung des deutschen Bürgertums des jungen wilhelminischen Kaiserreichs, die ein seltsames Gemisch aus nationalem Stolz, überschäumendem Selbstbewusstsein, mythischen Sehnsüchten und morbider Todessehnsucht war. In immer neuen Auflagen brachte dieser Roman die Saiten des deutschen „Seelenklaviers“ immer wieder aufs neue zum Klingen.

Die Weltanschauung des Guido von List

Etwas mehr als ein Jahrzehnt nach dem Erscheinen des »Kampfes um Rom« trat in Österreich Guido LIST (1848 – 1919) in die Fußstapfen DAHNS. Im Jahre 1889 erschien sein zweibändiger Roman »Carnuntum«21 , worin er die Rückereroberung der von einer als verlottert und sittenlos beschriebenen Garnison gehaltenen Stadt Carnuntum im Jahre 375 und die Errichtung eines neuen germanischen Reiches auf österreichischem Boden durch die stets tapferen, kraftvollen und sittenstrengen Germanen schildert. Sechs Jahre später gelang LIST ein weiterer literarischer Erfolg mit dem Roman »Pipara«22, der vom Aufstieg eines Germanenmädchens aus der Gegend des heutigen Brünn (Brno) zur römischen Kaiserin erzählt. Über die Beweggründe für seine Schriftstellerei schrieb LIST im Vorwort zur zweiten Auflage: „Der Roman spielt in Pannonien, Norikum und im Markomannenreiche, in Dazien und in Rom [...] während die Hauptereignisse [...] im Gebiete des heutigen Deutsch-Österreich sich zutrugen. Darum ist der Roman »Pipara« in erster Beziehung ein Deutsch-Österreichischer Roman und – meinen Roman »Carnuntum« ausgenommen – der erste geschichtliche Roman aus Österreichs Vorzeit, also ein hochpatriotisches Werk.“23Dieser Begründung ließ LIST sodann sein „politisches Glaubensbekenntnis“ folgen, in dem er seinen österreichischen Patriotismus mit seiner Zugehhörigkeit zum deutschen Volkstum verband: „Ich bin ein Ario-Germane, ein Deutscher, ein Armanendichter, und [...] ein Ideal-Deutscher, der sich zu keiner politischen Partei bekennt und sich von keiner solchen, wie immer nahmenhabenden Partei als deren Angehöriger reklamieren läßt. Als solcher Ideal-Deutscher vergesse ich niemals, daß ich Wiener, Deutschösterreicher, Markomanne bin, und ich glaube an einen deutschen Volksgeist wie an einen Gott! Mein Deutschtum ist mir Religion.“24

 


 

18 Frank Wende (Hg.): Lexikon zur Geschichte der Parteien in Europa. Stuttgart: Kröner 1981. S. 457.
19 Gerhard Jagschitz: Die Nationalsozialistische Partei. In: Emerich Tálos, Herbert Dachs, Ernst Hanisch, Anton Staudinger (Hg.): Handbuch des politischen Systems Österreichs; Erste Republik 1918 – 1933. Wien: Manz 1995. S. 231-232.
20 Felix DAHN, Professor für deutsche Rechtsgeschichte, gilt als einer der herausragenden Vertreter des „Professorenromans“, einer literarischen Gattung von von dichterisch veranlagten Universitäts- und Gymnasialprofessoren verfassten historischen Romanen, „in denen angeblich historisch getreue Darstellung von Leben und Sitten der Vergangenheit oder fremder Kulturen die eigentl[lich] oft unwahrscheinliche, überspannt wirkende Handlung überwiegt und Gelehrsamkeit die dichterische Gestaltung zurückdrängt“. (Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart: Kröner 51969. S. 593, Stichwort „Professorenroman“.)
21 Guido List: Carnuntum; Historischer Roman aus dem 4. Jhd. n. Chr. 2 Bde. Berlin: Grot 1889.
22 Guido List: Pipara, die Germanin im Cäsarenpurpur; Historischer Roman aus dem 3. Jhd. n. Chr. 2 Bde Leipzig: Schulz 1895.
23 Guido List: Pipara; Geschichtlicher Roman aus Österreichs Vorzeit im dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Wien: Österreichisches Verlags-Institut 21913. S. XXVII. (Hervorhebungen im Original fett.)
24 Guido List: Pipara, ebd. (Hervorhebungen im Original gesperrt.)


Guido LIST – das Adelsprädikat „von“ hat er sich um das Jahr 1907 selbst verliehen –wollte Künstler und Gelehrter zugleich sein, worunter er einen romantischen Historiker verstand, der aus dem Brauchtum der Menschen, aus ihren Legenden und Sagen und aus der Landschaft heraus die Vergangenheit schauen konnte. Seine Naturverbundenheit führte ihn zur Bergsteigerei und zum Rudersport, wobei er es auf beiden Gebieten zur Meisterschaft brachte. Von seinen Ausflügen brachte er immer Skizzen mit und seine gewonnenen Eindrücke schrieb er nieder. Er suchte gerne die Einsamkeit, selbst bei Gruppenausflügen zog er sich oft von seinen Begleitern zurück, wodurch er sich nach und nach mit der Aura des Geheimnisvollen und Rätselhaften umgab. Wie LIST selbst bestätigte, war seine Liebe zur Natur ein Protest gegen das entfremdende, von der Jagd nach Erwerb geprägte Leben der modernen Zeit. „Willst du aber ernstlich ihre Zauberschleier lüften, so mußt du solche Orte fliehen, wo Leben pulsiert; suche einsame Stätten auf, an denen unbeeinflußt von der Hand des Menschen die Natur alleine waltet.“25 Seine wirtschaftlichen Lebensumstände erlaubten es Guido LIST, in bescheidenem Rahmen das von ihm gewünschte leben eines Privatgelehrten zu führen.

Eine vorübergehende Erblindung als Folge einer Augenoperation26  im Jahre 1902 bewirkte eine zunehmend religiöse Färbung in LISTS Altertums- und Germanenforschung. In jener Zeit hatte er verschiedene „Gesichte“, in denen sich ihm, wie er meinte, die Geheimnisse der germanischen Dichtung und Runenzeichen enthüllten. Nach der Wiedererlangung seines Augenlichts begann Guido LIST in einer Art Schreibzwang seine Erkenntnisse zu Papier zu bringen. Er schrieb „seine Bücher ähnlich einem psychologischen Medium, in einem Zug, ohne Benutzung von Nachschlagewerken. Die Bücher schlug er erst später nach, um zu vergleichen, ob seine Findungen nicht schon von anderen aufgezeichnet worden wären.“27 Die Verehrer LISTS führten seine Erkenntnisse auf „innere Wahrnehmungen“ oder „Erberinnerungen“ zurück. Diese Verehrer und Verehrerinnen LISTS gehörten den Spitzen der österreichischen und deutschen Gesellschaft an. Um die Geldmittel für die Drucklegung seiner Werke aufzubringen, schlossen sich weit über hundert Personen zur Guido-von-List-Gesellschaft zusammen. Dank ihrer Tätigkeit erschien ab dem Jahr 1908 in rascher Folge eine Reihe von Büchern, in denen er seine Welt- und Geschichtsauffassung darlegte.

Den Anfang der Geschichte verlegte LIST auf den nordischen Urkontinent Arktogäa. „Jene Arktogäa war nun in Zeitfernen, welche mit dem Zeitmaß der Jahresringe nicht mehr gemessen werden können, als sie noch nicht vergletschert war, die Wiege der arischen Urrasse.“28 Durch die Vergletscherung dieses Nordkontinents im Zuge der Eiszeit und durch die durch das Abschmelzen der Gletschermassen in der darauffolgenden Warmzeit hervorgerufenen Flutkatastrophen wurden die Arier über alle Welt verstreut, wo sie überall eine Wirksamkeit als Kulturbringer und Staatengründer entfalteten. Anders als die anderen Rassen entwickelten sich nämlich die Arier, „eingeschlossen zwischen Eis- und Wasserwüsten [...] im steten harten Kampfe mit einer kargen Natur und bildeten in solcher Schule ihre geistigen und körperlichen Kräfte in ganz anderer Weise aus als jene anderen Rassen, welche einer verschwenderischen Natur ihr Dasein und fast kampfloses Leben dankten.“29 Bei ihren Wanderungen vermischten sich die Arier mit diesen anderen Menschenrassen, so dass sie selbst von der Höhe ihrer rassischen Vollkommenheit herabsanken, jene anderen Rassen hingegen aus ihrem kulturellen Tiefstand emporhoben und erst kulturfähig machten.

Wie der Lauf der Geschichte nach Ansicht LISTS zeigt, ist es bei „allen asiatischen, wie afrikanischen Kulturstaaten des Altertums eine sich stets widerholende Erscheinung, dass dieselben immer und nur von Ariern begründet wurden, und nur so lange sich erhalten konnten, so lange deren Einfluß gesichert war, daß sie verfielen, sobald arischer Zuzug aufhörte und das Ariertum in den fremden Rassen unterging [...]“30 Wo immer aber die Arier als kulturstiftende Rasse in Erscheinung getreten sind, haben sie ein Bildzeichen bewahrt, selbst wenn sie durch die Vermischung mit anderen Rassen ihre arische Sprache und die Erinnerung an ihre arische Herkunft vergessen hatten: das Hakenkreuz, den altarischen „Fyrfos“.31

Guido LIST deutete das Hakenkreuz32 als Feuerzeichen und bezeichnete es bevorzugt mit dem Namen Fyrfos, den er mit „Feuerzeugung“ verdeutschte. Je nachdem ob die Haken des Hakenkreuzes im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn von den Kreuzbalken abstanden, konnte es als Sinnbild für das von der Finsternis und der Materie zu Licht und Geist aufsteigende Streben oder als gegenläufiges, von Licht und Geist zu Finsternis und Materie hinabsteigenden gedeutet werden.

Seine Zeit erschien Guido LIST als eine Zeit des Niederganges, der seine Ursache in einer tiefgehenden Schwächung der kulturbildenden Kraft der Arier infolge ihrer weitgehenden Vermischung mit den weniger hoch stehenden Rassen hatte. Die Angehörigen der nordischen, arischen Rasse hätten nun nach LISTS Auffassung die Aufgabe, durch Entmischung und strenge Abgrenzung von der Mischlingsrassen ihre Rassenreinheit wieder zu gewinnen. Er war sich allerdings dessen bewusst, dass die Zahl derer, die bereits über das richtige Rassebewusstsein verfügten, noch gering sei, und dass auch allfällige Bestrebungen, die Minderrassen aus ihren Machtpositionen zu verdrängen, sehr bald scheitern würden. Er gründete daher im Jahr 1907 einen mystischen Bund der „Armanenschaft“, dessen Mitglieder er persönlich auswählte. Die Armanen waren nach Meinung LISTS bei den Germanen „die geistige Blüte des Volkes [...], nämlich die Priesterschaft, welche Lehrer, Richter und Gelehrte in einer Person waren“33 gewesen. Die Bezeichnung „Armanen“

 


 

25 Guido List: Deutsch-Mythologische Landschaftsbilder. Bd 1., Wien: Guido-von-List-Gesellschaft 1913. S. 125.
26 Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus (The Occult Roots of National Socialism, 1992). Graz, Stuttgart: Stocker 1997. S. 42.
27 Wilfried Daim: Der Mann, der Hitler die Ideen gab; Jörg Lanz von Liebenfels. Wien: Ueberreuter 41994. S. 95.
28 Guido List: Die Namen der Völkerstämme Germaniens und deren Deutung. Wien: Guido-von-List-Gesellschaft 1909. S. 3. In der Anmerkung nennt LIST „mindestens 1.600.000 Jahre“.
29 Guido List: Die Namen, a. a. O. S. 4.
30 Guido List: Die Namen, a. a. O. S. 6.
31 Guido List: Die Namen, a. a. O. S. 5.
32 Der erste, der sich mit dem Symbolgehalt des Hakenkreuzes beschäftigte, war Alfred SCHULER, der auch den Namen Swastika für dieses Zeichen einführte. Ob Guido LIST von Alfred SCHULER wusste, kann nicht geklärt werden. Der Name Swastika war LIST jedenfalls bekannt, wenn er ihn auch nicht benutzte. Über Alfred SCHULER siehe Eduard Gugenberger: Hitlers Visionäre; Die okkulten Wegbereiter des Dritten Reiches. Wien: Ueberreuter 2001. S. 19 – 31.
33 Guido List: Die Namen, a. a. O. S. 11.


deutete er als die „Sonnen- oder Rechtsmänner“34 Vier Jahre später gründete er den Hohen Armanen Orden mit ähnlicher Zielsetzung. Beide Orden sollten im Volk das richtige Rassebewusstsein wecken, damit es für die entscheidende Auseinandersetzung gerüstet wäre.

LIST war sich darüber im klaren, dass die Wiederherstellung der Weltherrschaft der Arier nicht ohne schwere Kämpfe vonstatten gehen würde. Er sagte einen kommenden „ario-germanischen Weltkrieg“ voraus, um „die Tschandalenbrut wieder in ihre Fesseln der Kultur zu schlagen, die sie freventlich zerbrochen haben, damit Ordnung geschaffen werde und der Herrenmensch wieder zu seinem ihm abgelisteten und abgegaunerten Herrenrecht gelange, damit aber auch der Herdenmensch wieder in geordnete Verhältnisse gebracht werde, in welchen auch sein Glück ihm erblühen wird. [...] Ja, noch einmal sollen die Funken aus den ario-germanisch-deutschen-österreichischen Schlachtschiffen stieben“, malte er literarisch das Gemälde der bevorstehenden Stahlgewitter35, „noch einmal sollen Donars Schlachtenblitze aus den Kolossalkanonen unserer Dreadnoughts zischelnd züngeln, noch einmal sollen unsere Völkerheere [...] nach Süden und Westen [...] wettern“36, um den Feind zu schlagen.

Als erster Schritt zur Verwirklichung der ario-germanischen Weltherrschaft sollte ein pangermanisches Deutschland, bestehend aus Deutschen Engländern, Holländern, Dänen, Schweden und Norwegern geschaffen werden.37

Die geschichtliche Bedeutung Guido Lists

Diese Anschauungen LISTS zogen während der Kriegsjahre von 1914 bis 1918 viele Menschen an, die den Nöten und Mühsalen des Krieges einen Sinn unterlegen wollten. In zahlreichen Briefen berichteten ihm Frontsoldaten, dass sie aus seinen Büchern Mut und Kraft geschöpft hätten.38

Guido LIST starb zwar im Jahr 1919, aber die von ihm gegründeten Gruppen bestanden weiter und vernetzten sich mit Vereinigungen mit ähnlichen Anschauungen und Zielsetzungen. Die Guido List-Gesellschaft bestand unter der Leitung seiner Witwe Anna LIST bis in die späten zwanziger Jahre weiter.39 Führende Mitglieder der Guido List-Gesellschaft wurden späterhin Mitglieder des Germanenordens oder der Thule-Gesellschaft und passten die Weltanschauung LISTS einer Mystik an, die das Germanentum über die liberalen und sozialistischen, in ihren Augen jedenfalls jüdischen Bewegungen emporheben sollte. Schriftstellerisch tätige Männer wie Rudolf John GORSLEBEN, Werner von BÜLOW, Friedrich Bernhard MARBY oder Frodi Ingolfson WEHRMANN, um nur einige zu nennen, verwoben Lists Anschauungen mit eigenen Spekulationen über die verborgene Weisheit der Runen, der Edda und anderer nordischer Altertümer und nahmen auf diese Weise Einfluss auf die Ideologie Heinrich HIMMLERS und seines Kreises.

Joseph Scheicher – Ein katholischer Vordenker der „Endlösung der Judenfrage“

In den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts war der dem Christentum als Wesenselement innewohnende Antisemitismus zum ideologischen Bindemittel der Hausbesitzer, Handwerker, Gewerbetreibenden und Bauern geworden, die sich hilflos der „Raffgier des jüdischen Kapitalismus“ ausgeliefert sahen, geworden, das sie trotz aller ihrer anderen, zum Teil auseinander strebenden wirtschaftlichen und politischen Interessen zusammenhielt.

Der christliche Antisemitismus

Angeheizt und aufgestachelt wurde der Hass gegen die Juden immer wieder durch katholische Priester. Neben den Vorwürfen des Gottesmordes, weil es doch die Juden gewesen wären, die Christus Jesus ans Kreuz gebracht hätten, und der Hostienschändung, die allerdings von der Annahme ausgehen, dass auch die Juden an den magischen Zauber der Verwandlung des Fleisches Christi in eine Hostie geglaubt hätten, wurde vor allem immer wieder der des Ritualmordes gegen sie erhoben. In dieser Hinsicht tat sich besonders der Pfarrer Josef DECKERT hervor, „der in Währing in der 1893 geweihten neugotischen Weinhauser Pfarrkirche Hetzpredigten hielt, die sich trotz der Entlegenheit der Kirche größter Beliebtheit und regen Zulaufs erfreuten“40. Der Inhalt seiner Predigten war, dass die Juden für die christliche Bevölkerung unschädlich gemacht werden müssten, indem sie wieder unter das Fremdenrecht gestellt werden sollten. Würde man dies nicht tun, würden sie das Blut der christlichen Völker aussaugen. DECKERT war auch durchaus der Ansicht, dass der rassische Antisemitismus mit der kirchlichen Lehre vereinbar sei.41 Josef DECKERT war kein Einzelfall. Neben ihm wirkten in diesem Sinne noch der Kaplan Karl DITTRICH in dem in großer Zahl von Juden bewohnten Wiener Bezirk Leopoldstadt, im Bezirk Landstraße der Kaplan Josef SCHNABEL, der auch Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag war, in Margareten der Spiritualdirektor der Klosterschwestern vom guten Herrn, Franz STAURACZ, um nur einige zu nennen. Im Jahre 1937 sollte dann der österreichische Bischof Alois HUDAL eine umfangreiche Studie über »Die Grundlagen des Nationalsozialismus«42

 


 

34 Guido List: Die Namen, a. a. O. S. 14.
35 Ernst JÜNGER betitelte seine im Jahre 1920 erschienenen Kriegserinnerungen mit diesem Wort: »In Stahlgewittern; Tagebuch eines Stoßtruppführers«.
36 Guido List: Die Armanenschaft der Ario-Germanen. Bd 2. Wien: Guido-von-List-Gesellschaft 1911. S. 107.
37 Guido List: Der Übergang vom Wuotanismus zum Christentum. Zürich: Schröter 1908. S. 106.
38 Johannes Balzli: Guido von List; Der Wiedererwecker uralter arischer Weisheit. Leipzig, Wien: Deuticke 1917.
39 Max Reinisch (Hg.): Fritz von Herzmanovsky-Orlando; Ausgewählte Briefwechsel 1885 bis 1954. Salzburg, Wien: Residenz 1989. S. 99.
40 Johannes Hawlik: Der Bürgerkaiser, a. a. O. S. 44. Allerdings weist HAWLIK – vielleicht beeinflusst durch die Namensähnlichkeit mit dem bekannten Fußballspieler und Trainer der österreichischen Nationalmannschaft Karl DECKER – DECKERT den Vornamen Karl zu.
41 Friedrich Heer: Der Glaube des Adolf Hitler, a. a. O. S. 71.
42 Alois Hudal: Die Grundlagen des Nationalsozialismus; Eine ideengeschichtliche Untersuchung. Leipzig, Wien: Günther 1937.


veröffentlichen, in der er sich unter anderem auch um eine Zusammenführung zwischen rassischem und religiösem Antisemitismus bemühte.43

Die judenfeindliche Hetze war aber nicht bloß der „Pöbelsport“ ungebildeter Vorstadtpfarrer. Auch von theologischen Lehrstühlen herab wurde sie betrieben. Im Jahr 1871 veröffentlichte August ROHLING45 das Buch »Der Talmudjude«, das er aus dem Stoff des im Jahre 1700 erschienen Buches »Entdecktes Judentum« von Johann EISENMENGER zusammengetragen hatte und in dem er unter Berufung auf angebliche Stellen im Talmud begründete, dass die Juden zu Verbrechen jeder Art gegen die Christen berechtigt und aufgefordert wären. Das Buch hatte einen sensationellen Erfolg und erschien im Jahr 1877 bereits in sechster Auflage. Es trug auch nicht unwesentlich dazu bei, dass August ROHLING im Jahr 1876 zum Professor für Bibelstudium und Exegese des alten Testaments an der Universität Prag berufen wurde. »Der Talmudjude« begründete auch den Ruf ROHLINGS als allgemein anerkannte Autorität „in talmudicis“. Seine Gutachten wurden wiederholt zur Entscheidung vor Gerichtsverfahren, in denen gegen judenfeindliche Verleumdungen Klage geführt wurde, herangezogen. Der Tenor aller dieser Gutachten war stets, „daß der Jude von Religion wegen befugt ist, alle Nichtjuden auf jede Weise auszubeuten, sie physisch und moralisch zu vernichten, Leben, Ehre und Eigentum derselben zu verderben, offen und mit Gewalt, heimlich und meuchlings; das darf, ja soll, wenn er kann, der Jude von Religion wegen, damit er sein Volk zur irdischen Weltherrschaft bringe“46. Erst im Jahr 1882 erwuchs ROHLING ein entschiedener Gegner. Der Rabbiner Josef BLOCH bezeichnete ROHLING öffentlich als „unwissenden Plagiator“, um ihn damit zur Klage zu zwingen. Im Laufe des sich bis zum Jahr 1885 hinziehenden Verfahrens sah sich ROHLING unter dem Druck der Fachgutachten ausländischer Gelehrter gezwungen, seine Anschuldigungen gegen die Juden zurück zu ziehen. Damit war auch das Ende seiner akademischen Laufbahn besiegelt. Nichtsdestoweniger sind seine Schriften im katholischen wie auch außerkatholischen Antisemitismus wirksam geblieben.

Mit Monsignore Joseph SCHEICHER betrat ein „deutscher Priester, auf den die ganze deutsche Nation stolz sein kann“ und der als „Vorkämpfer im Kampf des christlichen Volkes wider seine Gegner“47 gerühmt wurde – dieses Lob wurde ihm vor allem für seinen Kampf gegen die nationalen Bestrebungen der Tschechen und vor allem gegen die Juden gespendet –, die politische Bühne. In den Jahren 1897 bis 1909 gehörte er der Niederösterreichischen Landesregierung an und wurde außerdem dreimal für die Christlichsoziale Partei LUEGERS in den Reichsrat gewählt. SCHEICHER war davon überzeugt, dass die Juden eine „Ausrottungspolitik gegen ihre Feinde“ betrieben, dass die „Judensoci“ die Massen ebenso verführen wie die liberale „Judenpresse“.48 SCHEICHER ließ in seinen Äußerungen aber auch erkennen, dass sein Antisemitismus neben christlich-religiösen auch rassistische Anteile besaß, wenn er im Hinblick auf Juden feststellte, „der penetrante Geruch von Unzucht und Syphilis“, der von ihnen ausgehe, weise „auf den Orientalen“49 hin.

Nach Meinung Joseph SCHEICHERS lag die Ursache für den von ihm so wahrgenommenen Aufstieg des Judentums in der fortschreitenden Entchristlichung der Gesellschaft. Dadurch wäre es den Juden erst möglich geworden, in den Spielarten des Kapitalismus, des Liberalismus und auch des Sozialismus den „kleinen Mann“ auszubeuten. Die Hoffnungen SCHEICHERS auf eine Wiederverchristlichung der Gesellschaft in naher Zukunft dürften aber ziemlich gering gewesen sein, so dass ihm nur der Stoßseufzer bleibt: „Falls nicht bald eine Völkerkatastrophe über uns hereinbricht, werden sie in absehbarer Zeit die herrschende Kaste und wir verarmte Deutsche und Slawen [...] die Paria sein.“50 Mit dieser angst- und zugleich doch auch lustvollen Sehnsucht nach dem Weltuntergang stand Joseph SCHEICHER nicht allein da. Sie war Ausdruck der Vorstellung, dass aus einem allgemeinen Weltenbrand eines großen Krieges eine neue, schönere Zukunft heraufsteigen würde. Für den Fall, dass dieser Kelch an Österreich-Ungarn vorübergehen sollte, entwickelte Monsignore SCHEICHER ein Programm zu einem weitgehenden Staatsumbau, dem er den Titel »Aus dem Jahre 1920«51 gab.

»Aus dem Jahre 1920«

Joseph SCHEICHER entwickelt in dieser kleinen Schrift Vorstellungen über einen nach seinem Dafürhalten wünschenswerten Umbau der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, die er in eine literarische Rahmenhandlung einbettet:

Am 1. Mai 1920 kommt der lange Zeit verschollen gewesene Polarforscher ANDREE52 nach Wien zurück und trifft dort auf völlig veränderte politische Verhältnisse. Der Erzähler, der unschwer als der Verfasser der Schrift zu erkennen ist, schildert, wie es zu diesen Veränderungen gekommen ist. Der Reichsrat der alten Monarchie war durch die beständige Obstruktion von Abgeordneten bis zur Handlungsunfähigkeit gelähmt worden. Schließlich kam es zur Machtübernahme durch Karl LUEGER, der mit großer Mehrheit zum Präsidenten des Reichsrates gewählt worden war und die

 


 

43 Dass der christliche Antisemitismus, der sich nahtlos mit dem rassischen der Nationalsozialisten verbinden ließ, von kirchlichen Stellen bis zur Besetzung Österreichs durch das Deutsche Reich gepflegt und gefördert wurde zeigt die Studie von Nina Scholz, Heiko Heinisch: „... alles werden sich die Christen nicht gefallen lassen.“ Wiener Pfarrer und die Juden in der Zwischenkriegszeit. Wien: Czernin 2001.
44 „Lueger selbst soll gegenüber Baron Spitzmüller im April 1909 zum Thema Antisemitismus folgendes geäußert haben: ‚Ja wissen S’, der Antisemitismus is a sehr gutes Agitationsmittel, um in der Politik hinauf zu kommen; wenn man aber einmal oben ist, kann man ihn nimmer brauchen, denn dös is a Pöbelsport.’“ (Johannes Hawlik: Der Bürgerkaiser, a. a. O. S. 196.)
45 Die Ausführungen über ROHLING folgen Erika Weinzierl: Stereotype christlicher Judenfeindschaft. In: Jüdisches Museum der Stadt Wien (Hg.): Die Macht der Bilder; Antisemitische Vorurteile und Mythen. Wien: Picus Verlag 1995. S. 134 – 136.
46 Isak A. Hellwing: Der konfessionelle Antisemitismus in Österreich im 19. Jahrhundert. Wien: Herder 1972. S. 78.
47 Friedrich Heer: Der Glaube des Adolf Hitler, a. a. O. S. 103.
48 Friedrich Heer: Der Glaube des Adolf Hitler, a. a. O. S. 105.
49 Friedrich Heer: Der Glaube des Adolf Hitler, a. a. O. S. 105.
50 Joseph Scheicher: Erlebnisse und Erinnerungen. Bd 6. Wien: Fromme 1907. S. 110.
51 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920; Ein Traum von Landtags- und Reichsraths-Abgeordneten Dr. Joseph Scheicher. St. Pölten: Gregora 1900.
52 Der Schwede Salomon August ANDREE hatte im Jahre 1897 mit zwei Begleitern versucht, in einem Fesselballon den Nordpol zu erreichen. Die Expedition scheiterte allerdings bereits nach wenigen Tagen. Die Aufzeichnungen der Expeditionsteilnehmer und ihre Leichen wurde erst im Jahre 1930 auf einer Insel der Spitzbergen-Gruppe gefunden. (http://www.bujack.de/berichte/historie/andree.htm am 29.6.2001)


Widerstand Leistenden kurzerhand durch Irrenwärter abführen ließ. Sofort nach seiner Wahl begann LUEGER dann einen grundlegenden Staatsumbau. Die Österreichisch-Ungarische Monarchie wurde in zwanzig Nationalstaaten zerlegt, wobei man darauf achtete, einerseits sprachlich möglichst einheitliche Gebiete zu schaffen, die aber andererseits wirtschaftlich so leistungsfähig sein sollten, dass sie für ihren Verwaltungsaufwand selbst aufkommen können. So wurde beispielsweise das alte Königreich Böhmen in der Weise geteilt, dass das überwiegend von Tschechen besiedelte Kernland als Staat Böhmen konstituiert wurde, die überwiegend von Deutschen bewohnten Gebiete im Norden wurden zur Nordmark zusammengefasst. Die überwiegend deutschsprachigen Gebiete im Süden wurden an Oberösterreich beziehungsweise Niederösterreich angegliedert, die ihrerseits zur Ostmark vereinigt wurden. Alle diese Teilstaaten bildeten die Vereinigten Oststaaten, an die sich mittlerweile auch einzelne Balkanländer angeschlossen haben, so dass die Vereinigten Oststaaten bis zum Hafen von Saloniki reichen. Die Hauptstadt des gesamten Staatsverbandes ist weiterhin Wien, das zugleich auch die Hauptstadt der Ostmark ist. Die politischen Vertretungskörper sind berufsständisch gegliedert, da die verschiedenen Berufssparten in jeweilige Kammern – Handelskammer, Bauernkammer, Arbeiterkammer, Gewerbekammer und andere mehr – zusammengefasst sind, in die die Angehörigen dieser Berufszweige ihre Vertreter wählen.53 Die Kammern der einzelnen Nationalstaaten entsenden Vertreter in den Staatsrat, das gesetzgebende Organ des Nationalstaates. Die Staatsräte entsenden ihrerseits wieder Delegierte in den Staatenrat, das Parlament der Vereinigten Oststaaten.

Auch auf wirtschaftlichem Gebiet wurden umwälzende Reformen durchgeführt. Alle Großbetriebe wurden verstaatlicht. Das Geld wurde abgeschafft und durch sogenanntes Volksgeld ersetzt, das sind Anteilscheine auf am Gewinn der Staatsbetriebe, die auch aus dem Mehrertrag dieser Betriebe rückeingelöst werden können. Selbstverständlich gibt es auch keine Zinsen auf Geldkapital mehr.

So sehr sich der Erzähler gegenüber dem Polarforscher bemüht, das Bild eines harmonischen Staatswesens zu zeichnen, in dem alle sozialen Schichten und nationalen Gruppen friedlich und in Wohlstand zusammen leben, so sehr geht mit ihm die Leidenschaft durch, als die Sprache darauf kommt, wie denn die gewiss vorhandene Opposition gegen diesen Staatsumbau hat überwunden werden können. Plötzlich entpuppt sich dieser Staat als eine brutale, autoritäre Diktatur. „Wir haben aufgeräumt“, wird der Gast beschieden, „wer sich gegen den Staat vergeht, wird unerbittlich gehängt. “54 Wie aus den weiteren Erzählungen hervorgeht, ist man dabei nicht zimperlich umgegangen. „In Wien haben wir einmal dreihundert Juden und zwanzig Arier an einem Tag gehängt. Die Kerle hatten einen schwarzen Freitag präparieren wollen“, wurde dieses Vorgehen mit einer Anspielung auf den Börsenkrach des Jahres 1873 begründet.55  Verfolgt man die Ausführungen des Erzählers weiter, lässt sich erkennen, dass er in den Juden den Hauptfeind sieht. „In Wien half das sehr“, fährt er fort, „im Staate Polen und im Staate Ruthenien haben wir tausende hängen lassen müssen, bis alle Sünder einsahen, daß es ernst sei. Daß man das Raubtier erschlägt, wußten sie. Daß ein Raubmensch ebenso behandelt werden müsse, wollte den leider wenig erzogenen Juden und Genossen jener Staaten lange nicht einleuchten. Als sie es einsahen, ging alles leichter. Jetzt haben wir übrigens keine Juden mehr.“56 Auch das Problem der jüdischen Mädchenhändler konnte einer Lösung zugeführt werden, indem „einige tausend Galgen in Anspruch genommen“57 worden sind.

Überhaupt hat sich in den Vereinigten Oststaaten die allgemeine Sittlichkeit gehoben, seit dem man sich auch der jüdischen Kulturschaffenden entledigt hat. „Dieses Volk hat schlimmer als die Pest in den Ländern von weiland Österreich gehaust“, erinnert sich der Erzähler gegenüber seinem Gast. „Es hat jung und alt der ganz ordinären Unzucht künstlich zugetrieben, hat das Gefühl für Reinheit und Sitte systematisch untergraben. Syphilis und Scrophulose waren die Resultate, woran unser Volk ebenso sicher zugrunde gegangen wäre, als die Naturvölker der fremden Welttheile durch Schnaps und Unzucht, welche ihnen die Einwanderer stets zu bringen pflegen [...] Die Juden betrachteten sich bei uns auch immer als Einwanderer, als berechtigt, die Urbevölkerung zu einer dienenden Kaste zu machen.“58 Der Erzähler bediente sich bei dieser Darstellung des jahrhundertelang angewandten agitatorischen Kunstgriffs, die Juden als Fremde zu bezeichnen, um sie damit bei Bedarf um so leichter aus der bürgerlichen Gemeinschaft ausschließen zu können.

Im folgenden führt der Erzähler lang und beredt Klage darüber, wie sehr die Juden sich zu Herren über die christliche Bevölkerung aufgeschwungen hätten, wie sehr sie schmarotzerisch von Christen begründete Wohlfahrtseinrichtungen zum Schaden der christlichen Bedürftigen ausnützten, ja dass sie sogar versuchten, die Gerichtsbarkeit zu korrumpieren, wobei er mit beleidigenden Ausdrücken für sie nicht spart. Nachdem das christliche Volk, geduldig wie es ja ist, dem Treiben der Juden lange genug zugesehen hatte, setzt der Erzähler fort, hätte es sich letztendlich doch aufgerafft und sich zu einem lückenlosen Boykott der Juden entschlossen. „Einer nach dem anderen sagte Concurs an und verschwand aus Wien und schließlich zogen sie alle, alle fort. Eine fast unübersehbare Schar bewegte sich zum Staatsbahnhofe und dampfte nach Budapest ab“, schließt der Erzähler frohlockend seine Geschichte.59

Als letzte Maßnahme, seien dann auch noch die „Talmi-Christen“ und „Kryptojuden“, also zum Christentum übergetretene Juden vertrieben worden. „Wir kamen bald zu der Überzeugung“, erläutert der Erzähler diesbezüglich, „daß die Kryptojuden außer Möglichkeit gesetzt werden müßten, geistiges Gift den Zeitgenossen einzuimpfen. Wir reinigten darum die Universitäten, die Schulen.“60

Joseph SCHEICHERS Phantasien über die „Entjudung“ der Vereinigten Oststaaten sollten vierzig Jahre später schreckliche Wirklichkeit werden.

 


 

53 Die Vorstellungen eines derartigen Ständestaates sollten in der österreichischen Geschichte noch eine Verwirklichung erfahren.
54 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920, a. a. O. S. 61.
55 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920, a. a. O. S. 62.
56 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920, a. a. O. S. 62.
57 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920, a. a. O. S. 63.
58 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920, a. a. O. S. 63/64.
59 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920, a. a. O. S. 84.
60 Joseph Scheicher: Aus dem Jahre 1920, a. a. O. S. 88.


Ewald Stadler – Der letzte(?) Aufrechte der Völkischen

Die Personen, von denen bisher die Rede war, sind bereits achtzig bis neunzig Jahre tot, und man sollte meinen, dass auch ihre Vorstellungen und Ideologien den Weg alles Irdischen gegangen wären. Dass dem nicht so ist, wurde am 21. Juni 2002 wieder einmal – zum wievielten Mal eigentlich? – bewiesen.

Da sammeln sich Menschen, die sich für vernünftig halten, in heidnischer Weise um einen Scheiterhaufen, um ein Ereignis zu feiern, das mit naturgesetzlicher Notwendigkeit ohnehin eintreten musste. Dann tritt ein völkischer Anwalt vor und stellt mit seinen ersten Worten einen geistigen Zusammenhang mit „Kelten und Germanen“61 her. Fest auf dem Boden von deren Tradition der Kopfjägerei stehend, zieht er sogleich über die „gnadenlosen Gutmenschen und Tugendterroristen“ her, die seinen Blick auf die Geschichte etwas erweitern könnten. Hier schimmert die Paranoia durch, welche die Deutschtümelei nicht nur, aber doch auch österreichischer Prägung kennzeichnet. Sie, diese österreichischen Deutschtümler, haben in ihrer verbohrten Beschränktheit das politische Klima der Habsburgermonarchie so lange vergiftet, bis die anderen Nationen aus dem für sie dazu gemachten „Völkerkerker“ ausbrachen; sie, diese österreichischen Deutschtümler katholischer Provenienz, haben die österreichische Republik wahnhaft zu einem zweiten, besseren, weil katholischen deutschen Staat machen wollen; sie, diese österreichischen Deutschtümler, sind jubelnd heim ins Reich geeilt und haben durch Reibepartien, wilde Arisierungen, Hasenjagden im Mühlviertel und zahlreiche ähnliche Aktionen der sadistischen Art nach Kräften zum Bestand dieses Reiches beigetragen. Und wann immer sie, diese österreichischen Deutschtümler vor den Scherbehaufen ihres volksgeistigen Treibens standen, riefen sie nach bewährtem Muster: „Haltet den Dieb!“.

Diese österreichischen Deutschtümler haben sich in ihrer Persönlichkeitsstruktur noch immer nicht geändert. Noch immer sehnen sie sich gemäß den Worten des völkischen Anwalts nach dem „was unseren Vorvätern heilig war“, noch immer halten sie „unsere Familie“ hoch als deren Zuchtmutter im LANZ-LIEBENFELSSCHEN Sinn62 von dem völkischen Anwalt Barbara ROSENKRANZ gepriesen wird, die mit ihren zehn Kindern „unseren Volkserhalt“ sichert, so dass die österreichischen Deutschtümler „nicht durch Zuwanderungsexperimente es anderen Völkern überlassen, unser Volk zu erhalten“. Und noch immer oder schon wieder wollen sie „zurückkehren zu einer patriotischen Haltung, die zunächst unsere eigenen Interessen goutiert und uns wappnet, kulturell gefeit zu sein, eine Herausforderung auch anzunehmen“. Vielleicht wieder durch das deutsche Turnen?

Diese österreichischen Deutschtümler sind noch immer gebrochene Persönlichkeiten, die „Teil des ‚Großen’“63  – eben des Phantamas der deutschen Nation – sein müssen, um sich „selbst groß“ fühlen zu können, denn wären sie „allein, auf sich gestellt“, so würden sie „zu einem Nichts zusammenschrumpfen“. Diese österreichischen Deutschtümler fühlen sich nur stark, wenn sie sich „einer Autorität unterwerfen und ein Teil von ihr werden“ können – beispielsweise als Mitglieder der Partei der Tüchtigen und Anständigen. Darum erlebt der österreichische Deutschtümler „eine Bedrohung der Autorität [...] als eine Bedrohung seiner selbst“. Somit ist er gezwungen, „gegen die Bedrohung des Autoritären ebenso zu kämpfen, wie er gegen die Bedrohung seines Lebens oder seiner Gesundheit kämpfen würde“, was mit den rumpelstilzchenhaften Reaktionen eines pseudonymen Klubobmannes wie eines einfachen Parteimitgliedes beispielhaft vorgeführt wurde, als ein außer durch Buchstabierkenntnisse weiters nicht nennenswert qualifizierter österreichischer Deutschtümler mit seinen Vorstellungen nicht so recht ankam.

Daran wird sich noch so lange nichts ändern, als die österreichischen Deutschtümler sich immer nur in der Zugehörigkeit zu einer Volksgemeinschaft bestätigt fühlen können und nicht durch den auf eigener Leistung und Anstrengung beruhenden persönlichen Erfolg – aber dann brauchten sie ja keine österreichischen Deutschtümler mehr sein.

Wien, am 21.7.2002

Über den Verfasser:
Prof. Dr. Anton Szanya ist Mitarbeiter am Österreichischen Volkshochschularchiv.

 


 

61 Die folgenden Zitate aus der Feuerrede Ewald STADLERS sind entnommen aus Der Standard vom 5. Juli 2002, S. 31, wo sie unter dem Titel „Das Feuer, das Volk, die Werte“ auszugsweise abgedruckt wurde.
62 „Gewiß wird [...] von der Zuchtmutter viel verlangt! [...] aber schließlich wird es dem asischen Weib dabei immer noch besser gehen, als es ihm jetzt geht. Es wird [...] sich der schönsten und edelsten Kinder erfreuen können, ihm werden künftige Geschlechter als der neuen verehrungswürdigsten und allerseligsten Gottesmutter Tempel und Denkmäler errichten [...]. Sonnenhaarige, himmelsäugige Götter und Göttinnen werden die leidvolle Zuchtmutter als ihre Schöpferin preisen und loben.“ (Jörg Lanz-Liebenfels: Rasse und Weib und seine Vorliebe für den Mann minderer Artung, in: Ostara, 21. Heft (März 1908). S. 15.)
63 Dieses und die folgenden Zitate sind entnommen aus Erich Fromm: Der revolutionäre Charakter (1963), in: Erich Fromm: Das Christusdogma und andere Essays (The Dogma of Christ and other Essays on Religion, Psychology, and Culture). München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1984. s. 120-121.